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Acht Freunde sollt ihr sein. Von links: Der Fotograf und Filmemacher Anton Corbijn, Goldbären-Gewinner Asghar Farhadi, US-Schauspieler Jake Gyllenhaal, die französische Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, Jury-Präsident Mike Leigh, die deutsche Schauspielerin Barbara Sukowa, Regisseur François Ozon und der Schriftsteller Boualem Sansal.

© Reuters

Berlinale: Die Festivaljury: Alles ist schneebedeckt ...

... und hoffentlich bald auch erleuchtet. Impressionen vom Warm-up mit der Jury unter Vorsitz des Regisseurs Mike Leigh.

So ein Podium mit acht hochkarätigen Künstlern hat was von einer Abendmahlsszene. Umringt von seinen Jüngern thront der Messias in der Mitte, blickt gütig um sich und spricht erlösende Worte. Jurypräsident Mike Leigh ist zwar einen Kopf kleiner als seine Mitjuroren, aber er strahlt die Aura natürlicher Autorität aus. Die Personalunion von Spiritus Rector, Big Daddy und Oberbefehlshaber gelingt ihm jedenfalls bereits zum Auftakt des Jurymarathons, denn er beginnt fast jeden Satz mit einem augenzwinkernden „Wir sind uns doch alle einig, dass...“

Das Premierenfieber bei der Juryvorstellung, der ersten Berlinale-Pressekonferenz 2012, paart sich zunächst mit etwas Scheu seitens der Medienvertreter. Die Schauspielerinnen Charlotte Gainsbourg und Barbara Sukowa, ihr Kollege Jake Gyllenhaal, Regisseur François Ozon, Goldbären-Gewinner Asghar Farhadi, der Fotograf und Filmemacher Anton Corbijn sowie der friedenspreisgekrönte algerische Schriftsteller Boualem Sansal – so viel Glamour und Größe schüchtert ein. „Bitte nicht alle gleichzeitig reden“, bricht Mike Leigh fröhlich das Schweigen. Dem britischen Regisseur von Filmen wie „Vera Drake“ und „HappyGo-Lucky“ sitzt der Schalk im Nacken, wenn er sein Schuldeutsch zusammenkratzt und fast akzentfrei das Ein-Zeilen- Poem „Alles ist schneebedeckt“ formuliert oder Jake Gyllenhaal vor der Frage in Schutz nimmt, ob der sich als Hollywoodstar in der Cineastenrunde wie ein schräger Außenseiter fühle. Sympathiebekundungen, Respektbezeugungen: Aus dem Stand skizzieren die beiden eine sich anbahnende Vater-Sohn-Beziehung.

Die politische Berlinale, die Gründe für die Zusage, die Kriterien der Jury? Mike Leigh lobt den Geist und die ungezwungene Atmosphäre des Festivals („Die Winterkälte eint die Leute“), spricht davon, dass die Jury selbstverständlich die politischen und die ästhetischen Aspekte eines Films berücksichtigen werde. Als er Berlinale-Chef Dieter Kosslick einen „very funny guy“ nennt, assistiert Gyllenhaal und gesteht seine Aufgeregtheit nach Kosslicks Anruf, der ja seinerseits von Natur aus aufgeregt sei. Corbijn nennt die Berlinale seine Filmschule, Sansal freut sich als Schriftsteller auf das Studium der Bildersprache, der oscarnominierte Farhadi hat seiner Tochter versprochen, weniger zu reisen, aber wenn Kosslick ruft...

Familienaufstellung: François Ozon erkennt Leighs Autorität als die eines gütigen Patriarchen an. Charlotte Gainsbourg gibt die verträumte Schwester, die ihren Simultanübersetzungsempfänger wie ein Mini-UFO bestaunt und sich entschuldigt, weil sie Französisch spricht. Für Englisch sei es noch zu früh. Barbara Sukowa übernimmt die Rolle des weiblichen Familienoberhaupts, spricht von der großen Verantwortung bei der Bären-Vergabe und hat die Lacher auf ihrer Seite: „Wenn man älter wird, denken die Leute, man bekommt nicht mehr so viele Filmrollen. Deshalb werde ich oft in Jurys eingeladen. Wenn es Geld dafür gäbe, könnte ich davon leben.“

Und die Zukunft des Kinos? „Es gibt das Weltkino, und es gibt Hollywood. Zum ersten Mal, seit ich Filme mache, habe ich den Eindruck, dass die bislang unvermeidliche Dominanz von Hollywood geringer wird. Auch in Amerika erstarkt das unabhängige Kino“, sagt Mike Leigh. Das stimmt ihn optimistisch, als Autorenfilmer, als Europäer. Erst mal freut er sich jedoch darauf, gründlich über die Werke anderer Filmemacher nachdenken und die eigene Arbeit für eine Weile vergessen zu können. Seine Gefolgsleute stimmen ihm nur zu gern zu. Christiane Peitz

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