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Streep eignete sich für den Film einen englischen Akzent an. Kinostart: 1. März.

© dpa

Berlinale: Goldener Ehrenbär für Meryl Streep

Ehre, wem Ehre gebührt: Oscarpreisträgerin Meryl Streep bekommt am Dienstag den Ehrenbären für ihr Lebenswerk verliehen. Doch damit nicht genug: Die Berlinale widmet ihr außerdem eine Hommage mit sechs Filmen.

Diese Lady ist tatsächlich aus Eisen: das Rückgrat kerzengerade, die Schultern gestrafft, die gesamte Physis starr und staksig, die Gesichtszüge eingefroren – so verkörpert Meryl Streep die frühere britische Premierministerin. Dabei wäre „entkörpern“ der passendere Begriff, um ihre „Iron Lady“ zu beschreiben. Wie immer arbeitet Streep mit einer Perfektion, die bis in die sprachlichen Nuancen reicht: Ihr britisches Englisch, ihr schneidender Tonfall sind auf die Haltung abgestimmt. In einer der erstaunlichsten Szenen dieses nicht immer überzeugenden Films bekommt Margaret Thatcher Sprachunterricht. Die junge Frau aus kleinbürgerlichen Verhältnissen neigt zum Quieken und Schnellsprechen; beides ist nicht politiktauglich. Streep führt vor, wie der Zwang zur permanenten Verstellung der Kaufmannstochter jede Authentizität nimmt, und schafft es, Mitgefühl für Thatcher zu wecken.

Wie sie einfach alles geschafft hat in ihrer bruchlosen 35-jährigen Karriere. Ja man denkt, dass sie mit zunehmendem Alter immer bessere Rollen spielt, sich immer weniger festlegen lässt. Und wenn sie mit Lily Tomlin als Country-Schwesternduo in Robert Altmans letztem Film „A Prairie Home Companion“ (2006) auftritt oder als vergnügungssüchtige Ex-Hippie-Brautmutter im Abba-Musical „Mamma Mia“ (2008), dann staunt man, dass sie auch noch singen kann.

Meryl Streep, die bei der „Iron Lady“- Vorstellung am heutigen Dienstag mit dem Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird, ist wandlungsfähig, ohne dass sie ihrem Körper allzu drastische Veränderungen zumutet. Maske und Kostüm reichen aus, um ihre Darstellung zu unterstreichen. Ihr Gesicht zeigt keinerlei Spuren chirurgischer Eingriffe. Sie scheint natürlich zu altern, aber nicht sehr, lediglich ein paar kleine Fältchen um Mund und Kinn verraten, dass sie nicht mehr jung ist. Sie kann sich das leisten, weil ihr das besser steht als vielen ihrer Kolleginnen die künstlich gestraffte Haut.

In einem ihrer schönsten Filme, „Die Brücken am Fluss“ (1995), der in der Hommage zu sehen ist, bringt Streep unter Clint Eastwoods Regie all das auf den Punkt, was ihren Ruhm erzeugt, erhalten und gerechtfertigt hat: Als Italienerin Francesca ist sie immer noch ein bisschen Kriegsbraut, Trophäe eines heimkehrenden Siegers, auch zwei Dekaden nach Kriegsende. Der Not in einem geschlagenen Land ist sie entkommen und sie weiß, was sie ihrem Mann dafür schuldig ist. Sie hat in 20 Jahren oft darüber nachgedacht, ob sie richtig hier ist, auf der einsamen Farm in Iowa. Und wenn sie heimlich daran zweifelte, dann kamen auch die anderen Zweifel: Was, wenn sie gar nichts anderes könnte als Bäuerin, Mutter, Hausfrau sein? Aber sie weiß, wie sie wirkt, mit ihren nackten Beinen unter dem Kittelkleid, den verschwitzten Haarsträhnen, die sie sich mit dem Handrücken aus dem Gesicht wischt, und ihrem Porzellanteint, dem die Sonne von Iowa nichts anhaben kann. Und als ein plötzlich auftauchender Fotograf an all das rührt, was sie von sich weggeschoben hat, entdeckt sie in sich die Sehnsucht nach einem anderen Leben.

Promis und Stars auf der Berlinale

Meryl Streep spielt all das ohne Anstrengung. Sie tritt mit dem ganzen Fuß fest auf der Erde auf, die sie bewirtschaftet und der sie buchstäblich verhaftet ist. Und man weiß: Sie wird sie nicht verlassen. Es ist nicht nur die Scholle, sondern auch die Arbeit darauf, die ihre Identität ausmacht.

Die vielfältigen Rollen der Meryl Streep

Arbeit, immer wieder Arbeit, bestimmt die Rollen, die Meryl Streep gespielt hat: Regieren, Redigieren („Der Teufel trägt Prada“, 2006), Psychoanalysieren („Couchgeflüster“, 2005), das sind die anspruchsvollen Tätigkeiten ihrer jüngeren Filme; Singen („A Prairie Home Companion“, 2006), Kochen („Julie & Julia“, 2009), Backen („Wenn Liebe so einfach wäre“, 2009) die kreativen. Sie arbeitete in einem Atomkraftwerk in „Silkwood“ (1983) und verwaltete eine Plantage in „Out of Africa“ (1985). Und sie wirkt bei jeder dieser Tätigkeiten so überzeugend, ernsthaft, kritisch, hingebungsvoll, dass man denkt, sie kenne nichts anderes.

Falsch! Sie war romantische Heldin und Partnerin von Traummännern in zwei der schönsten Liebesgeschichten, die Hollywood je geschaffen hat: In „Die Brücken am Fluss“ spielte sie mit Clint Eastwood und in „Out of Africa“ mit Robert Redford. Beide Filme haben kein Happy End im üblichen Sinn, weil die Frauen bei sich bleiben. Vielleicht bringen sie deshalb Millionen von Zuschauerinnen zum Weinen und Träumen: Weil sie in der 1949 in Summit, New Jersey, geborenen Streep eine etwas mutigere, optimistischere Variante ihrer selbst sehen. Weil Streep weder zu schön noch zu sexy noch zu ätherisch ist, um sich mit ihr zu identifizieren. Streeps Zuschauerinnen können mit ihr die Ärmel aufkrempeln, ihre Hände bis zu den Ellenbogen in Teig oder Erde vergraben und später an einer Schürze abwischen. Und dabei ein bisschen tagträumen.

Es gab auch einmal eine andere Meryl Streep, eine blasse, durchsichtige, mit weißblonden Brauen und Wimpern und flächigem Gesicht, wie auf einem niederländischen Porträt des 17. Jahrhunderts. Das war in den späten siebziger, frühen achtziger Jahren, als Hollywood noch nicht so richtig wusste, was es mit ihr anfangen sollte. Trotzdem bekam sie einen Oscar als beste Hauptdarstellerin für „Sophie’s Choice“ (1982), den einzigen ihrer Filme, in dem sie ihren Körper drastisch veränderte, um ihrer Darstellung einer KZ-Insassin Authentizität zu verleihen.

Kurz vorher hatte man sie für „Kramer gegen Kramer“ (1979), in dem sie kaum in Erscheinung tritt, als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Beide Filme griffen damals neue Diskurse auf und kommentierten sie: Holocaust und Geschlechterrollen. Seither hat Streep keinen Oscar mehr bekommen, was nichts mit ihren Leistungen, aber viel mit der Oscar-Vergabepolitik zu tun hat. Als Verwandlungskünstlerin und Repräsentantin des Zeitgeistes ist Meryl Streep nämlich nicht geeignet. Das ist ihr und unser Glück.

14.2., 22.30 Uhr (Berlinale Palast), 15.2., 10 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 15.2., 21.30 Uhr (Thalia Babelsberg Potsdam)

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