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Kultur: Berlinale: Gefährlicher Zug

Volker Noth, seit 1977 der Mann fürs Berlinale-Plakat, hat ein besonnenes Naturell. Beim Entwurf für die kommenden Mittwoch beginnende 51.

Volker Noth, seit 1977 der Mann fürs Berlinale-Plakat, hat ein besonnenes Naturell. Beim Entwurf für die kommenden Mittwoch beginnende 51. Berlinale aber, die letzte unter dem seit 1980 amtierenden Moritz de Hadeln, zeigte er fühlbar Leidenschaft. "Ziemlich unsäglich" fand es der Grafiker, wie Kulturminister Naumann letztes Jahr von der Möglichkeit einer vorfristigen Kündigung Gebrauch gemacht hatte, ja, man habe de Hadeln geradezu "weggehauen". Und so ist ihm das Plakat wie ein scharfer visueller Kommentar geraten, mit de Hadeln als tapferem Einradfahrer und einem Stopschild dort, wo sonst Kopf oder zumindest Herz sitzen. Und der Nachfolger Dieter Kosslick, ist er womöglich die heranbrausende Lokomotive? Nein, so hat es Noth nun auch nicht gemeint. Trotzdem: In der grafischen Idee, die allenthalben auf Gefahr im Verzug verweist, soll sich der Festivalchef ausdrücklich wiedergefunden haben.

Gestern hing es hinter dem Podium der Berlinale-Eröffnungskonferenz, deren bedeutendste Neuigkeit der Ort war: das Atrium des Debis-Hochhauses, eine Halle hoch wie der Kölner Dom. "Der Pressezentrum unter das Musical ist noch nicht ganz fertig", sagte de Hadeln in seinem berühmten paneuropäischen Deutsch - und als er die Stimme erhob zu seiner betont nüchternen letzten Pressekonferenz, stellte sich zumindest beim langjährigen Beobachter schon mal eine gewisse Nostalgie ein. Kosslicks Stimme wird da geschmeidiger, auch farbloser sein - ein Defizit, das er durch den burschikosen Witz, mit dem er gerade Ritualien zu würzen weiß, ausgleichen dürfte.

Die Königsdisziplin Wettbewerb - aus 700 gesichteten Filmen wurde 23 Bären-Kandidaten ausgewählt - ist diesmal offenbar nur mit besonderen Mühen zu Stande gekommen. Über viele Filme wurde erst in letzter Minute entschieden, und zweimal hat das Festival, ein im Blick auf die Konkurrenten Cannes und Venedig bedenkliches Zeichen, sogar von seinen strengen Auswahlregeln abrücken müssen: Der US-Film "Traffic" von Steven Soderbergh ist bereits in England angelaufen, Patrice Chéreaus "Intimacy" lief soeben auf dem Festival von Sundance. Eine Malaise - anerkennenswert immerhin, dass das Festival sie nicht zu verstecken sucht.

Echte Weltpremieren sind ohnehin nur elf der 23 Wettbewerbsfilme, darunter neue Arbeiten von Mike Nichols, Patrice Leconte, John Boorman und Catherine Breillat. Außerdem gibt es unter anderem Neues von Spike Lee, Michael Winterbottom, Lasse Hallström und fünf Filme aus Asien. Asien auch ist erneut stark im Forum, das sich erstmals im neuen Arsenal im Sony Center präsentiert und mit offener Tür zum benachbarten CineStar die "Grenzscheide zweier Welten" (Forums-Chef Ulrich Gregor) für elf Festivaltage vergessen machen will. Das Panorama als dritte Säule, stets auch quantitativ reich bestückt, hat seine letztjährige Summe von 51 Spiel- und Dokumentarfilmen um nur zwei Filme überschritten. Die amerikanische Beiträge seien, anders als in den Vorjahren, eher stark, sagte Panorama-Leiter Wieland Speck; und mittlerweile habe auch er sich von den Qualitäten neuer Digitalfilme überzeugt und gleich sechs davon ins Programm eingerückt.

Noch ein Hinweis: Morgen erscheint im Tagesspiegel, herausnehmbar aus der Programmbeilage "Ticket", ein 12-seitiges Berlinale-Special, mit zahlreichen Informationen zu Stars, Filmen und Service. Außerdem liegt morgen der Gesamtauflage das 30 Seiten starke offizielle Programmraster der Berlinale mit allen Terminen bei. jal

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