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© ddp

Berlinale: Hier kocht der Chef noch selbst

Berlinale-Chef Dieter Kosslick lädt zur Pressekonferenz. Kann er die insgesamt mäßige Erwartung auf den Jubiläumswettbewerb beflügeln? Der angekündigte Starauftrieb dürfte jedenfalls für ausreichend Wirbel sorgen.

So richtig leidenschaftlich wird Dieter Kosslick, zum neunten Mal Chefkoch des Berlinale genannten cineastischen Dreisternerestaurants, erst beim Programmpunkt Verschiedenes. Angesichts des vor Jahren von ihm kreierten Zwischengangs „Kulinarisches Kino“ entwickelt der Liebhaber ayurvedisch-vegetarischer Speisen einen darstellerischen Enthusiasmus, bei dem das Schwärmen vom Eifern nicht mehr trennscharf zu unterscheiden ist. Da wettert der überzeugte Öko-Warner etwa heftig dagegen, dass die „Welt am Fleischkonsum zugrunde geht“, um im nächsten Atemzug mit enormer Sachkenntnis bezüglich des hauptstädtischen Getreideproduktverkaufswesens zu verblüffen: „Berlin hat 135 Bäcker, aber 1500 Aufbackstationen.“ Wieder was gelernt auf der alljährlichen Berlinale-Pressekonferenz!

Ansonsten hatte der filmweltweit geschätzte Entertainer an diesem Montagmorgen offenbar eher mäßig gut gefrühstückt – nicht gerade indisponiert, aber sachte vergnatzt präsentierte er sich vor der üblichen Vielhundertschaft internationaler Journalisten im Großen Saal des Bundespresseamts. Manch lässliches Detail hatte er nicht präsent, manche Begriffe, ob gastronomischer oder kinematografischer Natur, brachte er erst im zweiten Anlauf korrekt über die Zunge, und Stimmung kam erst auf, als er einen nicht näher bezeichneten Film dahingehend rühmte, dass darin ein Mann glücklich dahinscheidet, weil er im Krankenhaus statt Kochsalzlösung tschechischen Schnaps zu sich nimmt. Oder sprach da wieder nur der Großkulinarist?

Immerhin: Mit Kurzfilmen, einer Premiere auf Berlinale-Pressekonferenzen, hatte dieses erste rituelle Begängnis zum Jubiläumsjahrgang Nr. 60 zumindest einen hübschen Rahmen. Vorneweg eine Wochenschau von 1955 mit Grußworten von Willy Brandt, hintendran ein schwungvoll gesungener Geburtstagsgruß südafrikanischer Township-Bewohner, die vor fünf Jahren mit „U-Carmen eKhayelitsha“ den Goldenen Bären gewonnen hatten. Unter dem Motto „Berlinale Moments“ werden allerlei entsprechend jubiläumsbezogene Kurzfilme jeweils vor den Wettbewerbsbeiträgen zu sehen sein. Apropos Jubiläum: Abseits der offiziellen Groß-Retrospektive, der, wie berichtet, mit Michael Verhoevens Skandalfilm „o. k.“ (1970) ein Kernstück der Berlinale-Geschichte fehlt, wird das Forum mit einer zwölf Filme umfassenden eigenen Retro auf seine ersten 40 Jahre zurückblicken.

Ansonsten waren – angesichts zahlreicher Meldungen im Vorfeld – Neuigkeiten wie immer rar bei dem Ereignis, das seinen Sinn traditionell erst in der anschließenden (!) Verteilung der kalendarisch detaillierten Film-Speisefolge enthüllt. Bestätigt wurde der in letzter Minute erkorene 26. Wettbewerbsfilm: Außer Konkurrenz startet der Street-Art-Künstler Banksy sein Debüt; wie am Rande zu erfahren war, will der stets im Verborgenen agierende Edelsprayer das Premierenpublikum mit allerlei Aktionen überraschen. Doch ob die Nennung dieses Films die insgesamt mäßige Erwartung auf den Jubiläumswettbewerb noch zu beflügeln vermag?

Der angekündigte Starauftrieb allerdings dürfte immer wieder mal für jubiläumsgewaltigen Wirbel sorgen. Ewan McGregor und Pierce Brosnan werden Polanskis „Ghostwriter“ vertreten, Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio begleiten „Shutter Island“, außerdem stehen unter anderem Gérard Depardieu, Ben Kingsley, Ben Stiller, Michelle Williams, Stellan Skarsgaard, Jackie Chan und Shah Rukh Khan auf der Promi-Liste. Da läuft uns doch glatt, filmkulinarisch gesprochen, das Wasser im Munde zusammen.

Alle Details unter www.berlinale.de

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