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Berlinale: Kurz & kritisch

Kurze Eindrücke von Filmen aus dem Forum und Panorama.

PANORAMA

Blut und Blau: „El mal ajeno“ von Oskar Santo

Die Patienten des Madrider Arztes Diego weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie haben unerträgliche Schmerzen. Auf einer Skala von 0 bis 10 ordnet sich keiner von ihnen unter 8 ein. Und Diego arbeitet mit ihnen – jeden Tag. Er sieht sie leiden, hoffen und dann doch sterben; er ist mit ihren verzweifelten Angehörigen konfrontiert, und er begegnet ihnen mit kalter Professionalität. „Sieh’ nicht hin“, herrscht er einen jungen, mitfühlenden Kollegen an und zerrt ihn in die Notaufnahme, in ein Inferno aus Blut, Geschrei und Gestank, „oder willst du all dieses Leid zu deinem machen?“ Kühl und glatt wie der schöne, adrette Diego (Eduardo Noriega) ist auch der Film: Der Hauptschauplatz, das Universitätsklinikum, erscheint chromglänzend, in blau-graues Licht getaucht, aber seine glatten Böden geraten in dem Maß in Schieflage wie Diego die Kontrolle entgleitet. Es scheint, dass er nach dem Selbstmord des Geliebten einer Multiple-Sklerose-Patientin plötzlich über heilende Kräfte verfügt. Die etwas krude, verquast-religiöse Wendung kann dem anspruchsvollen ästhetischen Konzept nichts anhaben: eine Komposition aus Blut und Blau – faszinierend, aber kaum berührend. Daniela Sannwald

Heute 21.30 Uhr (Zoo-Palast), 13. 2., 13 Uhr (Cinemaxx 7), 14. 2., 14.30 (Cubix 9), 15. 2., 22.30 Uhr (Cubix 7 & 8), 21. 2., 17 Uhr (International)


FORUM

Improvisation und Demut: „Imani“ von Caroline Kamya

Ein Tag in Uganda, drei Geschichten. Nichts haben sie miteinander zu tun und berichten doch alle von einem: der Kunst des Improvisierens in einem armen Land. Der 12-jährige Olweny verlässt das Heim für Kindersoldaten und kehrt verstört zu seinen Eltern auf dem Land zurück, die nicht wissen, wie sie mit diesem „Fremden“ umgehen sollen. Die Hausangestellte Mary muss ihre Schwester aus dem Gefängnis freikaufen, weil diese ihren gewalttätigen Ehemann umgebracht hat. Und der junge Hip-Hopper Armstrong (Philip Buy) plant einen Breakdance-Auftritt in Kampala, doch seiner Truppe wird kurz zuvor das Equipment geklaut. Das alles ist ambitioniert und mit einfachsten Mitteln erzählt. Doch leidet „Imani“ nicht nur unter dramatischen, sondern vor allem formalen Mängeln. Schnitt, Tempo und Musik wollen sich nicht zusammenfügen. Einzig die Geschichte der mutigen Hausangestellten Mary ist spannend, was an der glaubwürdig agierenden Hauptdarstellerin liegt. Interessant die Alltagsbeobachtungen: wie sich etwa der Klassenunterschied zwischen Mary und ihrer Hausherrin in Gesten der Unterwürfigkeit wie Niederknien manifestiert. Da wird „Imani“ dann zum Fenster in ein fernes Land. Philipp Lichterbeck

Heute 22 Uhr (Cinemaxx 4), 13. 2., 15 Uhr (Cubix 7), 14.2., 20 Uhr (Arsenal 1), 21. 2. 17 Uhr (Delphi)


PANORAMA

Bewunderung und Zweifel:  „David Wants to Fly“

Seine Bewunderung wird ihm zum Verhängnis. David Lynch ist, wie für viele Filmstudenten, auch für David Sieveking ein Idol – nicht nur wegen des gleichen Vornamens. Als er hört, dass der bewunderte Regisseur in den USA ein Wochenendseminar gibt, entschließt sich der etwas perspektivlose Regieaspirant hinzufliegen – vielleicht weiß der Meister ja Rat. Rat weiß Lynch tatsächlich, nur anders, als David dachte. Das Wochenendseminar entpuppt sich als Werbeveranstaltung für die Transzendentale Meditation des Maharishi Mahesh Yogi, für die Lynch seit einigen Jahren offensiv trommelt. Sieveking lässt sich faszinieren, bucht teure Kurse beim Deutschland-Zentrum, interviewt Lynch, ist bei der Gründung der Deutschland-Universität in Berlin dabei, besucht sogar das Begräbnis des Maharishi Mahesh Yogi in Indien, und lernt dabei nicht etwa fliegen, sondern ganz im Gegenteil zweifeln, bis er für Lynch und seine Genossen zur Persona non grata wird. Aus dem Prozess seiner langsamen Bewusstwerdung hat er einen klugen, selbstironischen und dabei noch äußerst entlarvenden Film gemacht. Die yogischen Flieger dürften mit diesem PR-Erfolg nicht eben glücklich sein.Christina Tilmann

Heute 17 Uhr (Cinestar 7), 13. 2., 17.30 Uhr (Cubix 7), 14. 2., 15.30 Uhr (Colosseum)



PANORAMA

Traum und Schikane: „Sex & Drugs & Rock & Roll“

1977 hat der Londoner Cockney-Songpoet Ian Dury die Single „Sex And Drugs And Rock And Roll“ zwar nicht zu einem Hit, aber deren Titel immerhin zum weltbekannten Slogan gemacht. Im gleichnamigen Biopic lässt Schauspieler Andy Serkis ihn zehn Jahre nach seinem Tod wiederauferstehen. In Aussehen und sprachlichem Gestus kommt er dem Vorbild verblüffend nahe. Doch das Spielfilmdebüt des jungen Engländers Mat Whitecross entlässt den Betrachter nach zwei langen Stunden eher skeptisch. Wirr und klischeebeladen werden Episoden aus Durys Leben erzählt: Eine Bandprobe, während die Ehefrau ein Stockwerk darüber gerade ihr Baby zur Welt bringt. Dury wird dabei als ziemlich unangenehmer Zeitgenosse geschildert, der seine Ehefrau, seine Freundin, die Mitmusiker, seinen Sohn ständig triezt und schikaniert. In Rückblenden, Traumsequenzen und varietéhaften Auftrittsszenen werden psychologische Erklärungen geliefert: eine Erkrankung an Kinderlähmung, die ihn als Kind zum Krüppel machte und ein widerliches Behinderteninternat. Zu dicht bleibt der Film an Durys Geschichte, zu wenig vermittelt er vom Zeitgeist der Siebziger in London, zu wenig von der Musik und ihren Bedingungen. H. P. Daniels

Heute 22.30 Uhr (Cinemaxx 7), 13.2., 22.45 Uhr (Cinestar 3), 14.2., 20.15 Uhr (Cubix 7 & 8), 17.2., 22.30 Uhr (Cubix 7 & 8), 20.2., 22.30 Uhr (Colosseum 1)

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