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Ade_Minichmayr

© AFP

Berlinale-Rückblick: Deutschland 98

Das Prinzip Hoffnung – selten war es so stark nach einem Festival. Ein Berlinale-Rückblick von Christina Tillmann.

Es war eine Überraschung – sichtlich auch für die Preisträger. Selbst wenn man abrechnet, dass eine internationale Jury schon aus Höflichkeit das Festival-Gastland nicht ganz unberücksichtigt lassen kann: Die Silbernen Bären für die Regisseurin Maren Ade und ihre Hauptdarstellerin Birgit Minichmayr sind ein klares Statement. Nicht der aufwändige, engagiert politische, international angelegte Großfilm hat gewonnen, wie es durchaus in der Tradition eines sich als politische Bühne begreifenden Festivals gelegen hätte, sondern die kleine, scheinbar so private Paar-Analyse einer noch sehr jungen Regisseurin. Auch das eine deutliche Botschaft der Jury, die in fast allen Kategorien vielversprechende Debüts oder Zweitlingsfilme noch junger, unbekannter Regisseure ausgezeichnet hat. Das Prinzip Hoffnung – selten war es so stark nach einem Festival.

Vier Mal in den vergangenen fünf Jahren ist der Silberne Bär für die beste Darstellerin an eine deutschsprachige Schauspielerin gegangen: an Julia Jentsch für „Sophie Scholl“, Sandra Hüller für „Requiem“, Nina Hoss für „Yella“ und nun eben Birgit Minichmayr für „Alle Anderen“. Alles Theaterschauspielerinnen, die eine besondere, herbe Intensität in den deutschen Film bringen – ganz anders als die unbekümmert-unbeschwerte Sally Hawkins, die Bären-Preisträgerin 2008. Der deutsche Film ist ein Schauspielerfilm. „Ohne meine Schauspieler wäre das nichts geworden“, sagt Maren Ade. Auch Fatih Akins „Gegen die Wand“, der 2004 den Goldenen Bären gewann, lebte von seiner Hauptdarstellerin Sibel Kekilli.

Es geht aber auch anders: Parallell zum debütantenstarken Wettbewerb trumpfen im Friedrichstadtpalast die Großproduktionen auf, in Galavorstellungen, mit ausverkauftem 1800-Plätze-Haus, Bundeskanzlerin und Schaulaufen auf dem Roten Teppich. „Hilde“, „Effi Briest“, „John Rabe“: Das ist aufwändiges Historienkino, mit Staraufgebot, prächtigen Kostümen und deutlich selbstversichernden Tendenzen: Wir sind wieder wer.

Dazu passt: Die Filmförderungsanstalt meldet Rekordzahlen und den höchsten deutschen Marktanteil seit 1991, die Berlinale meldet Rekordzahlen, 30 000 Besucher mehr als 2008, und hat, noch ein Rekord, sagenhafte 98 deutsche Filme im Programm. Und gleichzeitig gehen Regisseure wie Tom Tykwer und Hans-Christian Schmid, die mit Filmen wie „Die tödliche Maria“ oder „Nach fünf im Urwald“ an der Spitze der vorletzten neuen deutschen Welle standen – dazwischen kam dann noch die Berliner Schule –, mit internationalen Großproduktionen aufs Festival. Mit internationalem Cast, globalem Anliegen und beträchtlichen Schauwerten. Thriller wie „The International“ oder „Sturm“ zeugen auch von der Sehnsucht, einmal richtig großes Kino zu machen: Welcome to Hollywood.

Da mögen die 13 Regisseure des Omnisbus-Films „Deutschland 09“ die Lage der Nation noch so schwarz sehen: Die Jury hat den richtigen Weg gewiesen. Hat hingewiesen auf das unerschöpfliche Arsenal an großartigen Nachwuchsregisseuren und vor allem -schauspielern, welches das weit gefächerte Netz von Theater- und Filmhochschulen in Deutschland Jahr für Jahr hervorbringen. Die Hoffnung muss sich dann nur noch erfüllen.

Christina Tilmann

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