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Hilde

© Berlinale

Berlinale Special: Emanzipation im Tonstudio

Wer ist Hildegard Knef? fragte Erich Pommer. Kai Wessels Biopic „Hilde“ weiß keine Antwort – trotz einer starken Heike Makatsch in der Hauptrolle.

Warten. Sie sitzt in ihrer Garderobe, schminkt sich, meditiert vor ihrem Spiegelbild. Warten. Gedämpftes Gelärme der Bühnenarbeiter dringt aus dem Konzertsaal herüber. Warten. Sie liegt jetzt auf einem Tisch, döst, träumt, braucht nur Zeige- und Mittelfinger leicht zu spreizen, damit ihr Mann ihr eine neue Zigarette ansteckt. Weiter warten.

Hildegard Knef litt unter Lampenfieber wie an einer Krankheit. „Da grabbeln die Fangarme des Ungeheuers, da krampft die Spannung Nerven und Muskeln, da klimmt sie von Wirbel zu Wirbel, saugt sich fest an Rückenmark“, so hat sie ihre Angst vor der Bühne beschrieben. „Hilde“, der Film, in dem nun Heike Makatsch die Knef spielt, beginnt und endet an einem Frühlingstag des Jahres 1966 und zeigt die Künstlerin bei einem ihrer größten Triumphe. Die Berliner Philharmonie, bis dahin ausschließlich ein Hort der klassischen Musik, ist die Abschlussstation ihrer ersten Gesangstournee. Zweitausend Zuhörer werden ihr zujubeln. Knef, die zu diesem Zeitpunkt ihre Schauspielkarriere weitgehend hinter sich hat, ist fortan als Sängerin etabliert. Und während sie auf den Konzertbeginn wartet, zieht – ein beliebter dramaturgischer Kniff im Biopic-Genre – ihr Leben noch einmal an ihr vorbei.

Nach außen schien Hildegard Knef stark und selbstbewusst, doch innerlich war sie von Selbstzweifeln zerrissen. Sie fürchtete, jederzeit den Boden unter den Füßen verlieren zu können. Eine existenzielle Verunsicherung, die aus ihren Kriegserlebnissen rührte. Kai Wessels Film, der als Berlinale-Special zu sehen war und am 12. März ins Kino kommt, beginnt mit einer starken halben Stunde. Mit 17 ergattert Knef, brennend ehrgeizig, gegen den Widerstand ihrer Mutter (Johanna Gastdorf) einen Platz auf der Ufa-Schauspielschule. Sie wird von Goebbels als „deutsches Mädel in Reinkultur“ gelobt und verliebt sich in den „Reichsfilmdramaturgen“ Ewald von Demandowsky (Anian Zollner), einen Nazi.

Als Demandowsky im April 1945 zum Volkssturm eingezogen wird, zieht auch Knef eine Uniform an und kämpft gegen die Russen. Der Wahrheitsgehalt der Kriegsschilderungen in Knefs Autobiografie „Der geschenkte Gaul“ ist umstritten, sie wirken hyperreal und gleichzeitig merkwürdig unkonkret. „Hilde“ folgt dieser Subjektivität, er zeigt den Krieg mit Handkamera und in Nahsicht, als Tohuwabohu aus explodierenden Granaten und sterbenden Menschen. Und als Knef, jetzt auf dem Weg zum Star, ihre Hauptrolle im ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ feiert, werden die Bilder von der Premiere mit Demandowskys Hinrichtung durch die Russen gegengeschnitten.

Heike Makatsch ist das Kraftzentrum des Films. Sie hat Knefs Art, zu reden und sich zu bewegen, dermaßen genau studiert, dass ihre Darstellung einer Mimikry gleicht. Mit aufgerauter Stimme und hochgerecktem Kinn verwandelt sie jedes Interview in einen Pointenschlagabtausch, unablässig gibt sie Knef-Aphorismen wie „Ich hasse den Hass“ von sich. Und sie singt beinah wie die Knef, mit kleinem Vibrato und die Anfangssilben rhythmisierend betonend. Einen Song, „After Eight“, hat Knef-Komponist Hans Hammerschmid extra für sie nach einem Knef-Text geschrieben.

Aber auch Makatsch kann „Hilde“ nicht retten. Öde reiht der Film im zweiten Teil Lebensstationen aneinander und malt sie anekdotisch aus: Knefs Scheitern in Hollywood als zum Nichtstun verurteile Selznick-Vertragsschauspielerin, das Ende ihrer Ehe mit dem Besatzungsoffizier Kurt Hirsch, die gockelhaften Nachstellungen der in sie verliebten Regisseure Willi Forst und Anatole Litvak, der „Sünderin“-Skandal und ihr Durchbruch am New Yorker Broadway.

Die sechziger Jahre werden zu Knef-Jahren. Sie emanzipiert sich, beginnt, ihre eigenen Lieder zu schreiben und steigt mit ihrem Mann David Cameron (Dan Stevens) zum Jetset-Glamourpaar auf. Doch der Film findet keine Haltung zu seiner Hauptfigur. Ist Knef eine Opportunistin, die ihre Ehen und Affären für die Karriere ausbeutet? Oder soll es um ihre seelischen Abgründe gehen? Irgendwann zerschlägt sie ziemlich unvermittelt Porzellan und zertrümmert ihre Garderobe. „Wer ist Hildegard Knef?“, die Frage stellt Erich Pommer (Hanns Zischler). „Das ist Hildegard Knef!“, sagt Heike Makatsch am Ende und singt „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Als Antwort reicht das nicht aus.

Den Krieg zeigt der Film subjektiv: mit wackelnder Handkamera und in Nahsicht

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