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Berliner Bars: Schnöselgedösel

Zwischen 103 und Lass uns Freunde bleiben: Bar-Impressionen von der Zionskirchstraße

Wer, vom Rosenthaler Platz in Mitte kommend, den Weinbergsweg hoch die Kastanienallee entlangläuft, kann diesen schönen Laden gar nicht verfehlen: Das 103 an der Ecke Zionskirchplatz und Zionskirchstraße. Dezent, aber bestimmt thront es hier, mit zahlreichen Stühlen und Tischen an beiden Straßen, wobei der attraktivere Teil der zur Kastanienallee ist. Er hat allerdings den Nachteil, zuweilen recht laut vom benachbarten Second-Hand-Plattenladen beschallt zu werden und, was schlimmer ist, in der Dunstglocke der direkt angrenzenden, ansonsten aber sehr guten Asian-Food- Bude zu liegen.

Damit gar nichts zu tun hat dann aber die immer gleichlautende Frage, die so mancher Wohlmeinende oft entsetzt stellt: Was, in diesen entsetzlichen Schicki- und Schnöselladen gehst du? Allein die Lage und die Größe des 103 sind jedoch unschlagbar. Drinnen steht eine Art längste Theke der Welt, gibt es zahlreiche Ecken zum Sich-Zurückziehen, selbst die inzwischen fast notorische Whitest-Boy-Alive-Beschallung ist zu ertragen. Und draußen lässt sich nirgendwo besser auf der Kastanienallee das rege Treiben beobachten, das hier weniger touristisch ist als etwa in Prater-Nähe und mehr studentisch; das hier auch weniger von jungen Eltern mit Kinderwagen dominiert wird als ein paar Straßen weiter Richtung Koppen- und Kollwitzplatz und mehr von den Menschen, die auch 2009 noch glauben, Berlin-Mitte wäre der Nabel der Welt.

Doch selbst der Chic und die Schnöselhaftigkeit des Publikums halten sich in Grenzen. Hier sitzt S. und lädt einen emphatisch zur Broken-Hearts-Club-Party in den Admiralspalast ein, wo 1000 Robota spielen und Fetisch und Terranova auflegen (ja, ja, doch irgendwie mittig). Hier sitzt ein Schluri wie B., der in Kreuzberg lebt und gerade ein schlimmes Plötzensee-Erlebnis hinter sich hat, „brutalst voll“. Er schwört, nie wieder im Sommer in ein Freibad zu gehen, geschweige denn an einen See in Brandenburg zu fahren: „Ist dasselbe in Grün, alles rappelvoll.“ Und im 103 sitzt auch G. ab und an, der eigentlich Stammgast in der nicht weit entfernten Bar mit dem schlimmen Namen Lass uns Freunde bleiben ist, der Abwechslung halber.

So schlimm der Name dieser Bar ist, so sehr bietet sie sich wiederum genauso als Kontrastprogramm zum 103 an. Denn hier geht es etwas zünftiger, etwas alternativer zur Sache, hier bekommt man in den rustikalen Räumlichkeiten noch einmal eine Ahnung davon, dass Mitte in den neunziger Jahren ein einziger großer Abenteuerspielplatz war; und hier gibt es einen Barkeeper, der immer, wenn er da ist, in gebotener Lautstärke Sonic Youth auflegt. Und da bleibt man dann nur allzu gerne ewig Freund.

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