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Kultur: BERLINER BEITRÄGE: Oper muß mehr bieten als schöne Töne

Die Kulturlandschaft in Berlin für die Hauptstadt im neuen Jahrtausend künstlerisch und strukturell fit zu machen - dieser Aufgabe müssen sich die Verantwortlichen an den Berliner Opernhäusern und in der Politik unter immer schwierigeren finanziellen Rahmenbedingungen stellen.Alle Intendanten haben dabei in den letzten zehn Jahren immer wieder betont, daß die stetigen Kürzungen der Zuwendungen einen Verlust der künstlerischen Substanz nach sich ziehen.

Die Kulturlandschaft in Berlin für die Hauptstadt im neuen Jahrtausend künstlerisch und strukturell fit zu machen - dieser Aufgabe müssen sich die Verantwortlichen an den Berliner Opernhäusern und in der Politik unter immer schwierigeren finanziellen Rahmenbedingungen stellen.Alle Intendanten haben dabei in den letzten zehn Jahren immer wieder betont, daß die stetigen Kürzungen der Zuwendungen einen Verlust der künstlerischen Substanz nach sich ziehen.Für das Jahr 1999 rechnet die Komische Oper derzeit mit einem Defizit von 2,8 Millionen Mark.Auf den ersten Blick eine Riesensumme, bei der es sich lohnt, genauer hinzuschauen: Zum einen wird der Zuschuß des Senats im kommenden Jahr um drei Millionen abgesenkt, zum anderen mußten wir Tariferhöhungen aus eigenen Kräften auffangen.Das bedeutet, daß wir zum 1.1.1999 im Verhältnis zum Beginn dieses Jahres fast 4,6 Millionen weniger zur Verfügung haben.Da braucht man kein Finanzexperte zu sein, um festzustellen, daß hier die Grenze des Machbaren längst überschritten ist.Und eine deutliche Erhöhung der Kasseneinnahmen ist aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Lage in nächster Zeit nicht zu erwarten.

Eigentlich müßte man - statt laufend einzusparen - in die Opernhäuser investieren, um die gewaltigen Umbrüche im Publikumsverhalten nach der deutschen Wiedervereinigung, aber auch durch die zunehmende Bedeutung neuer Medien, aufzufangen.Schon der Bereich Marketing erforderte Investitionen in Millionenhöhe, ganz zu schweigen vom desolaten baulichen Zustand der Gebäude und Bühnentechnik.Die Komische Oper zahlt die gleichen Preise für Werbung wie die Unternehmen der Wirtschaft, verfügt aber nur über ein Hundertstel oder weniger von deren Werbeetats.Sicher läßt sich durch Kreativität einiges ausgleichen, aber auch die besten Ideen sind keine Notenpresse.

Die Kulturinstitutionen müssen heute zusätzlich Aufgaben im Bereich der Bildung übernehmen und sich um ein junges, nicht mehr selbstverständlich nachwachsendes Publikum kümmern - auch das kostet Geld und Zeit.Wir müssen verstärkt den Sängernachwuchs selbst heranziehen, eine Aufgabe, der die Hochschulen allein nicht gewachsen sind.Gerade die Komische Oper kann sich nicht auf das Engagement von Stars stützen, wir sind darauf angewiesen, längerfristige Entwicklungen von Sängern zu beobachten und zu fördern - in unserer kurzlebigen, auf Events ausgerichteten Gesellschaft und Medienwelt ein weniger sensationelles, aber um so wichtigeres Ziel.

Über die konkreten Schritte zur Erhaltung der drei Berliner Opernhäuser und zur Bewältigung der Finanz- und Strukturkrise hinaus sind Visionen gefragt, die uns künstlerisch ins nächste Jahrtausend tragen.Zum Profil der Komischen Oper gehört es, mehr noch als an den anderen Opernhäusern die Idee des Musiktheaters in der Tradition von Walter Felsenstein und Harry Kupfer weiterzuentwickeln.Mit zwei Inszenierungen von Andreas Homoki und - in der jetzt begonnenen Spielzeit - mit zwei neuen Regisseuren, Uwe Eric Laufenberg und Anthony Pilavachi, die beide zum ersten Mal in Berlin Oper inszenieren, setzt die Komische Oper hier einen deutlichen Akzent.Ebenso mit der Werkauswahl, die - zusammen mit den anderen Häusern - eine Breite des Repertoires garantiert, wie sie keine andere Stadt der Welt aufzuweisen hat.Auch wenn die Musikjournalisten stets Uraufführungen und zeitgenössische Werke einfordern (und andererseits leere Häuser beklagen) - den Aufwand einer großen Uraufführung bei vorhersehbar relativ geringer Platzauslastung können wir uns zur Zeit schlicht nicht leisten.Die von der Presse gescholtene Auswahl einer "Turandot" an der Komischen Oper gehört übrigens zu den Rennern beim Publikum und an der Kasse, während in Berlin zur Zeit Werke des mittleren und späteren 20.Jahrhunderts vom Publikum nicht angenommen werden.

Für die Zukunft der Berliner Opernhäuser wird es weniger wichtig sein, Regisseure, die andernorts seit Jahren gefeiert werden, auch noch in Berlin inszenieren zu lassen, wie jetzt von Kritikerseite schnell geraten wird.Es muß uns mehr gelingen, die wiedergewonnene Lebendigkeit der Stadt ebenso wie ihre Brüche künstlerisch fruchtbar zu machen.Wir wollen auch die Jugend im Theater sehen - auf der Bühne und im Zuschauerraum.Wir brauchen in Berlin mehr kulturinteressierte Politiker, wir benötigen mehr Mittel, um in die Kultur und ihre Zukunft zu investieren.Wir brauchen Medien, die helfen, neue Ansätze zu unterstützen; wir suchen Partner aus anderen Bereichen, die uns helfen, eine Botschaft in die Welt zu tragen: Berlins Musikleben ist einzigartig in seiner Vielfalt und Qualität.Die Kultur bleibt Berlins großer Standortvorteil, und daran sind Berlins Opernhäuser maßgeblich beteiligt.

Albert Kost ist seit 1994 Intendant der Komischen Oper Berlin, die am morgigen Sonntag um 19 Uhr ihre nächste Premiere herausbringt: "König Hirsch" von Hans Werner Henze.

ALBERT KOST

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