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Bitte zwei Milchkaffee. Michael Hatzius, Jahrgang 1982, und sein Bühnenpartner bei der Getränkeauswahl

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Comedian Michael Hatzius: Meine Echs und ich

Ein Mann und sein schlecht gelauntes Urvieh: Dank seiner Reptilienpuppe ist Michael Hatzius für den Grimmepreis nominiert. Bei den "Kiezgeschichten" in der Ufa-Fabrik stellt er sein neues Programm "Echstasy" vor.

„Keine Angst, ich bin ganz lieb“, sagt die Echse und lehnt sich vertrauensvoll über den Tisch. Das kleine Mädchen, das dort inmitten eines Cafés in Friedrichshain steht und die Puppe mit großen Augen anschaut, zögert einen Moment – dann läuft sie hinter ihrer Mutter her. Die Echse lehnt sich zurück und schaut wieder in die Getränkekarte. Ihr Maul geht auf und zu, die Hände sind fest um die Ränder der Karte geschlossen.

Sie gehören nicht der Echse alleine, denn unter der Echsenhaut, eigentlich moosgrüner Stoff, sind die von Michael Hatzius verborgen. Zum Gespräch allerdings verschwindet das grüne Wesen in einer großen Kiste – sonst würde sich die Puppe wahrscheinlich andauernd einmischen. Ihr Schöpfer und Animator sieht gar nicht gestresst aus, dabei steht die Premiere seines zweiten Bühnenprogramms demnächst an. „Ich bin gespannt, wie es wird. Es ist noch jede Menge zu tun“, sagt Hatzius freudig. Ein zweites Programm, das sei eine große Aufgabe, vor allem wenn das erste mit so viel Naivität und ohne jede Absicht entstanden sei. Genau diese Naivität wolle er sich aber für die neue Show bewahren.

Altkluge Kommentare in Kneipenatmosphäre

Mit diesem „naiven“ ersten Programm, „Die Echse und Freunde“, ist er durch ganz Deutschland gereist, insgesamt 254 Mal stand er damit auf der Bühne. Neben vielen anderen Charakteren wie einem Huhn oder der Kunstfigur Jens Schirner, der gerne mal zu Beginn seiner Bühnenshow die Zuschauer mit den eher abstrusen Brandschutzvorkehrungen vertraut macht, ist die Echse immer dabei: Üblicherweise tritt sie mit einer Zigarre in der Hand und einem ziemlich losen Mundwerk auf. Das notorisch schlecht gelaunte „Urvieh“ hat viel gesehen in seinem langen Leben. Im August sind Hatzius und seine bekannteste Puppe bei den „Kiezgeschichten“ in der Ufa-Fabrik zu Gast. Im September ist Premiere von „Echstasy“ bei den Wühlmäusen. Danach startet die Tour mit dem neuen Programm.

Auf das freche Reptil ist Michael Hatzius zufällig gekommen: 2008 war er zu Gast bei einem Puppenspielfestival in Erfurt. Da kam die Idee auf, das Festival am Abend von zwei Figuren kommentieren zu lassen. Es sollten zwei Tiere sein, das eine jung und begeisterungsfähig, das andere alt und abgegessen. „Eines, das sowieso immer und überall der bessere Regisseur und Intendant wäre“ – die Geburtsstunde der Echse, die zusammen mit einem Papagei in allabendlicher Kneipenatmosphäre in scharfem Ton altkluge Kommentare zum Besten gab. Danach ging alles ganz schnell, Hatzius wurde gebeten, mit der Echse auch solo aufzutreten, neue Charaktere kamen dazu, das Programm nahm Gestalt an.

Feuerprobe bei den "Kiezgeschichten"

Das erste Bühnenprogramm des Comedians wurde ein Überraschungserfolg. 2011 war die Premiere im Quatsch-Comedy-Club. Er ist in großen Schauspielhäusern aufgetreten, hat diverse Kleinkunstpreise gewonnen, 2012 folgten die erste Deutschlandtour und viele Fernsehauftritte. Seit 2014 hat er eine eigene TV-Show „Weltall.Echse.Mensch“, die im Frühjahr ausgestrahlte jüngste Staffel ist gar für den Grimmepreis 2015 nominiert. Zu den „Kiezgeschichten“, einer Mixed Show in der Ufa-Fabrik, wo neben ihm diesmal Julia Bach und Archie Clapp auftreten, kommt Hatzius trotz seines Soloerfolgs gern: „Das ist Tradition“.

Michael Hatzius wurde 1982 in Berlin geboren, wuchs in Mahlsdorf auf und besuchte die Ernst-Busch-Schauspielschule, Abteilung Puppenspielkunst.

In Tempelhof tritt er regelmäßig auf, nicht nur mit der Echse, sondern auch mit seinen Kinderstücken. Jetzt gibt er bei den „Kiezgeschichten“ einen ersten Einblick in „Echstasy“, gewissermaßen als Feuerprobe, um die neuen Figuren und Ideen am lebenden Publikum zu testen. Wie das genau aussieht, ist allerdings eine spontane Entscheidung: „Das mache ich kurzfristig.“

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Die schräge Show sei ein „Rausch der Sinne“, wie Hatzius es mit einem Augenzwinkern beschreibt. Auch neue Puppen gibt es, darunter auch eine Zecke, sicher ein mindestens ebenso großer Sympathieträger wie die sarkastische Echse. Die philosophiert ihrerseits über wichtige evolutionäre Fragen. Etwa darüber, wer vor den Dinosauriern die Welt beherrscht habe. „Da waren nämlich Enten die vorwiegende Rasse.“ Das ist Geschichte für Fortgeschrittene.

Wie er auf so einen Nonsense kommt? Da zögert Michael Hatzius etwas und gestikuliert ratlos mit den Händen. „Das kommt einfach beim Spielen. Ich kann das gar nicht richtig beschreiben.“ Bilder und Showelemente entwickelten sich oft durchs Ausprobieren. „Die Echse übernimmt da auch viel.“

In der Welt der Figur

Sein Hauptwerkzeug ist die Improvisation mit den Figuren. Daraus entwickelt sich ihr Charakter, dann die Sprache, dann spielt er einfach drauflos. Deswegen seien auch die Programme nicht von Anfang an fertig inszeniert oder stets identisch. „In der ersten Vorstellung ist sehr viel frei.“ Auch Publikumsreaktionen nimmt er auf und arbeitet sie als interaktives Element ein. Hatzius ist kein Schauspieler, der in verschiedene Rollen schlüpft: Er belebt totes Material, das dann zum Zentrum der Aufmerksamkeit wird. „Das Zusammenspiel mit der Puppe ist ein Gleichnis. Eine Metapher, die etwas ganz Urspielerisches an sich hat.“ Wichtig sei, in der Welt der Figur zu sein und sie gleichzeitig von außen zu betrachten. Dann erzählt das Reptil seine sarkastischen Geschichten, während hinter seinem Rücken versteckt der Puppenspieler in leicht zurückgelehnter Körperhaltung sitzt.

Seiner Heimat Berlin ist Michael Hatzius kein bisschen überdrüssig. „Die Stadt hat eine besondere Freiheit und ein unglaublich großes Angebot“, gerade auch in der freien Szene. „Und dass es hier eine Schule gibt, wo man Puppentheater studieren kann!“, sagt er mit dem erstaunten Tonfall eines Mannes, der eigentlich noch gar nicht so recht fassen kann, wo er inzwischen angekommen ist. Er selbst lebt trotzdem lieber am Stadtrand, in der Natur. Ob es der Echse da auch gut gefällt? Michael Hatzius grinst. „Die bleibt in ihrer Kiste. Man weiß ja nicht, was sonst passiert.“

„Kiezgeschichten“ in der Ufa-Fabrik, Viktoriastr. 10–18, Tempelhof, 5. – 8. August, jeweils 20 Uhr. „Echstasy“ hat am 20. September bei den Wühlmäusen Premiere.

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