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Künstlers neue Kleider. Im Schinkel-Pavillon hängen und liegen jene Anziehsachen, die Gonzalez-Foerster in den Videos trägt.

© A. Rossetti

Berliner Doppelausstellung von Dominique Gonzalez-Foerster: Stunde der Stars

Die Französin Dominique Gonzalez-Foerster ist bekannt für ihre hochästhetischen Räume. In Berlin ist sie jetzt mit einer Doppelschau vertreten.

Die seit den 1960er Jahren etablierten Performance- und Videokünste sind – gemessen an den Traditionslinien von Malerei und Skulptur – immer noch funkelnagelneu. Für einige Künstler sind sie aber schon ein so alter Hut, dass sie großen Wert darauf legen, nicht damit in Verbindung gebracht zu werden. Die französische Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster nutzt Projektionen, macht aber keine Videokunst, sondern will ihre Werke als „apparitions“ verstanden und bezeichnet wissen. Natürlich produziert sie nicht einfach bloß Videos, aber auch Rauminstallationen gehören seit jeher zur Videokunst. Was hat es also mit den „apparitions“ auf sich? Sind sie eine unique selling proposition in Zeiten eines zunehmend kommerzialisierten Kunstbetriebs, in denen es zwar videoaffine Sammlerinnen wie Ingvild Goetz und Julia Stoschek gibt, sich aber Videos auf Kunstmessen immer schlechter verkaufen als Bilder? Oder sind die „apparitions“ vielleicht einfach nur der besonderen Eitelkeit einer über den Künstlerdurchschnitt hinaus verschrobenen Künstlerseele geschuldet?

DGF – für Franzosen ist so eine Namensverkürzelung das Gegenteil von despektierlich – hat den Ruf, im Umgang nicht ganz einfach zu sein. DGF gibt nicht gerne Interviews, heißt es. Für ihre Berliner Doppelausstellung macht sie ein paar Ausnahmen. Und dann ist DGF da, in der Galerie Esther Schipper, bittet mehrmals persönlich um Entschuldigung, es sind vorab noch ein paar ihre drei „apparitions“ betreffende Details zu klären. DGF ist eine Frau um die fünfzig, in Kleid und Turnschuhen. Sie setzt sich an den Tisch und entschuldigt sich gleich noch mal. Sie beantwortet geduldig alle Fragen und lässt nicht erkennen, ob sie genau diese Fragen möglicherweise schon hundertmal beantworten musste, und sie vielleicht genau deshalb keine Interviews mag. Sie lässt auch nicht erkennen, dass sie keine Interviews mag. DGF wirkt eigentlich ziemlich uneitel und unkompliziert.

Ihre Kunst spricht die Sinne und den Intellekt an

Unkompliziert im Umgang. Ihre Kunst ist natürlich überhaupt nicht unkompliziert – sonst hätte sie eine andere Galeristin. Seit etwa Mitte der 1980er-Jahre schafft DGF hochästhetische Räume, Enviroments, Szenerien mit historischer oder literarischer Aufladung, die den Betrachter keineswegs nur oder auch nur vorrangig intellektuell ansprechen sollen. So fanden sich die Besucher des New Yorker Guggenheim Museums vor fünf Jahren einmal als Passagiere der Titanic wieder. Konzertklänge und Lichteffekte ließen sie den Untergang miterleben.

Von Marilyn Monroe und Maria Callas dürften sehr viele Menschen einen Begriff haben - Sarah Bernhardt werden, zumindest hierzulande, weit weniger kennen. Die große französische Schauspielerin hatte sich zeitlebens geweigert, in Deutschland aufzutreten. Und ihr theatralischer Schauspielstil war schon bald nach ihrem Tod (1923) passé. Bei Esther Schipper verfolgt einen nun Bernhardts überschwänglich deklamierende Stimme (in der Rolle von Edmond Rostands „L'Aiglon“) noch, wenn man bereits bei der nächsten Station, der Callas, angelangt ist. Die Operndiva ist der Star der Schau der Stars. Alle drei Frauen stehen für maximale Intensität auf ihrem Gebiet, waren getrieben, begründet DGF ihre Auswahl. Sie verwandelt sich ihnen mit Hilfe von Maske und Kostüm an. DGF nennt das Transformation. Sie hat das seit 2012 wiederholt gemacht bei Personen mit einer Filmgeschichte. Da wird es nämlich schön kompliziert. Spielte sie nun Fitzcarraldo oder Klaus Kinski, wie er Fitzcarraldo spielte? Spielt sie jetzt in der Galerie Roslyn Taber, jene Figur aus Marilyn Monroes letztem Film „The Misfits“, oder Monroe, wie sie Roslyn Taber spielt? DGF nennt solche Komplikationen „layers“ – Schichten. Als 14-Jährige wurde sie von einer Schauspielschule als zu jung abgelehnt. Die Buchstaben QM im Ausstellungstitel stehen für Sarah Bernhardts Motto: „Quand même“.

Ausstellungsdesign inspiriert von Duchamp und Cronenberg

Die Callas war natürlich eine beeindruckende Interpretin. Dass sie der Star der Schau ist, könnte aber auch technische Gründe haben. Die Bernhardt wird zweidimensional auf einen etwas gewellten, leicht verzerrenden Vorhang gebeamt, die Monroe an die Wand. Auf die Callas - auf DGF als die Callas -, wie sie in einem um ihren Körper drapierten roten Kleid eines ihrer letzten Konzerte gibt, schaut der Betrachter aus einigen Metern Entfernung. Sie ist eine holografische Illusion, plastischer, realistischer als die Beamerbilder, gleichzeitig flirrend und unwirklich, geisterhaft.

Wie viel profaner sieht das Kleid der Callas – der Callas in ihrer Verkörperung durch DFG – im Schinkel-Pavillon aus, wo es als Stück Stoff an Fäden von der Decke hängt. Kleider, Kleidungsstücke faszinieren DGF als Softversion von Malerei – näher könne man einem Gemälde im Alltag nicht kommen. Andere Kostüme liegen auf einem Podest oder auf blauen oder schwarzen Stühlen mit den Abgüssen eines rechten Beins. Das Bein, sagt DGF, habe nichts mit dem rechten Bein zu tun, dass Sarah Bernhardt nach einem Sturz auf der Bühne amputiert werden musste – es bleibt rätselhaft.

Das Ausstellungsdesign, inspiriert von Marcel Duchamps New Yorker Surrealismus-Ausstellung 1942 und David Cronenbergs Film „Spider“, hat DGF zusammen mit dem Berliner Künstler Manuel Raeder entwickelt, den sie in Rio de Janeiro getroffen hat, wo beide 2015 ausstellten, wo sie einen Wohnsitz im schönen Stadtteil Santa Teresa unterhält. Raeder, der auch zu den regelmäßigen Kollaborationspartnern der Berliner Design- und Kunstfirma Bless gehört, deren Gründerinnen DGF seit den neunziger Jahren kennt und die wiederum „wearaways“ beisteuern: „tragbare Fragmente einer Silhouette, inspiriert von den Kostümen, die DGF bei ihren ,apparitions’ getragen hat.“ Die „wearaways“ können erworben werden, ebenso DGF’s „apparitions“, deren Preise die Galerie aber nicht preisgeben wollte.

Galerie Esther Schipper, Schöneberger Ufer 65., bis 17. 11. / Schinkel Pavillon, Oberwallstr. 1. bis 22. 1. 2017

Jens Müller

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