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Ivo Wessel und Olaf Stüber veranstalten die Reihe Videoart at Midnight.

© Susann Zielinski & Tim Adler aka Z.U.P.A.

Berliner Filmszene: Im Kino Babylon wird Videokunst um Mitternacht gezeigt

Er ist einer der wichtigsten politischen Essayfilmer: Harun Farocki gastiert bei der Videokunstreihe "Videoart at Midnight" im Babylon und holt damit die Videokunst aus den Ausstellungsräumen.

Glockenschlag Mitternacht, aber die pulsierende Hauptstadt möchte nicht schlafen. Ob man in den Cafés oder Bars bei Kerzenschein sitzt oder sich auf traumwandlerische Erkundungsreisen begibt, der Nachthimmel über Berlin schweigt geduldig. Das Kino Babylon ist der Ort und Mitternacht die Stunde, zu der sich, zumindest einmal im Monat, die Kunstszene zur „Videoart at Midnight“ trifft.

Galerist Olaf Stüber kam 2008 mit dem Sammler Ivo Wessel auf die Idee, Videokunst im Kino zu zeigen, weil die in Ausstellungen oftmals untergeht. Die Bildschirme flimmern dort ununterbrochen, und die Videos laufen in Endlosschleife. Man platzt in einen Film und verlässt den Raum meist vor dem Ende. Ganz anders die Reihe „Videoart at Midnight“. Der Zuschauer steuert nächtens ins Kino, lässt sich in den Sessel fallen und wartet, bis es auch hier dunkel wird. Stüber und Wessel begrüßen die Anwesenden kurz, manche Künstler performen später auch live, während ihre Werke auf der Leinwand gezeigt werden. Ming Wong war da und hat am Klavier gespielt, Chris Newman brachte gleich seine ganze Band mit, um die bewegten Bilder zu untermalen. Die Zuschauer bleiben sitzen und schweifen nicht ab oder umher. Selbst verordnete Konzentration. Geduldig und ruhig genießen bis zu 300 Besucher die Komposition und Choreografie bewegter Bilder.

Gezeigt werden vorrangig Werke mit narrativer Struktur, die besonders auf der Leinwand funktionieren. Sarkastisch kombiniert Christian Jankowski in „Casting Jesus“ den Unsinn moderner TV-Castingshows mit religiöser Symbolik, Omer Fast schaut in die seelischen Abgründe des fernsteuernden Piloten einer US- Kampfdrohne, zuletzt hat sich Rebecca Ann Tess auf eine sozialkritische Reise durch die Geschichte des Films begeben. Ein Potpourri von Künstlern, die meisten in Berlin lebend, Bekannte und Unbekannte, das Establishment soll der Avantgarde ein wenig Aufmerksamkeit sichern. Neben der Momentaufnahme stellt „Videoart at Midnight“ vor allem ein Sprungbrett dar. Stüber und Wessel geben eine Edition heraus, streng limitierte Filmkopien und dazu ein Still für vergleichsweise günstige 680 Euro. Der Eintritt ins Kino ist kostenlos, man bemüht sich auch nicht um Förderung, sondern möchte flexibel sein, sich nicht ins Korsett von Planung und Konzepten zwängen, völlig frei von Profitzwang bleiben. Dieser charmante Zug ist auch ein Grund, weshalb Galerien ohne Murren die kurze Liaison ihrer Künstler mit der Reihe gestatten. „Videoart at Midnight“ ist schließlich keine Konkurrenz auf dem sonst hart umkämpften Markt, sondern spiegelt die hiesige Leidenschaft für Videokunst wider, zu der sich Zuschauer und Künstler einer neben dem anderen bekennen.

Am 25. Januar wird Harun Farocki erwartet. Sein neuester Film, der zuvor nur im MoMA gezeigt wurde, hat er im Gepäck, am 22. Februar gibt sich dann Douglas Gordon die Ehre. Die beiden Gäste sind der vorläufige Höhepunkt der Reihe und werden zugleich die vergangenen Jahre veredeln. Vinzenz Weidner

Videoart at Midnight, Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Str. 30, Infos: www.videoart-at-midnight.info, Eintritt frei

Vinzenz Weidner

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