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Kultur: Berliner Kommandantur: Ein unmoralisches Angebot

"Aber hinter der Kommandantur wird doch wenigstens modern gebaut, oder?", fragte der Kölner Architekt Thomas van den Valentyn treuherzig.

"Aber hinter der Kommandantur wird doch wenigstens modern gebaut, oder?", fragte der Kölner Architekt Thomas van den Valentyn treuherzig. Eben hatte er den Wettbewerb für den Wiederaufbau des Hauses "Unter den Linden 1" gewonnen und schien sich nicht recht wohl zu fühlen in der Rolle des Rekonstruktionsarchitekten. Manche Kollegen hatten schließlich das unmoralische Angebot abgelehnt, weil sie die Aufgabe degoutant fanden. Vielleicht hätte man die Baukünstler einen originären Entwurf zeichnen lassen sollen, um zu prüfen, ob es die Zeitgenossen nicht mit den Altvorderen hätten aufnehmen können. Nun gut, die Faximile-Architektur ist vorschnell beschlossene Sache.

Als Filarete 1460 den Plan einer Idealstadt entwarf, wies er dem Hauptmann den Platz neben dem Palast des Stadtherrn zu. Auch in Berlin saß der Stadtkommandant an strategischer und auch prominenter Stelle. Am Kopf des Boulevards Unter den Linden, gegenüber dem Zeughaus, im Sichtkreis von Dom und Schloss, manifestierte das Haus des Berliner Militärkommandanten dessen politische und gesellschaftliche Stellung. Heute ist die Position vakant, der Bundesverteidigungsminister oder der Polizeipräsident sehen sich wohl nicht in der Traditionslinie des Kommandanten, und so wird mit dem Bertelsmann Konzern eine andere Macht im Staate den symbolischen Ort besetzen, und man wird beobachten, wie sich die Bertelsmann AG und die Bertelsmann Stiftung in der preußischen Hülle einrichten. Tagungen, Ausstellungen, Gespräche sollen in einem offenen Haus stattfinden.

Kurfürst Friedrich Wilhelms Festungsbaumeister Johann Georg Memhardt hatte sich 1654 hier sein Haus gebaut, das 1792 zum Haus des Militärkommandanten umgebaut und erweitert wurde. 1872 erfuhr es eine Aufstockung und Überformung, um es in der Nachbarschaft von Zeughaus und Kronprinzenpalais aufzuwerten. Damals, in einer Zeit der eklektischen Stilvielfalt, vermied man bei der Kommandantur jegliche Experimente und besann sich auf das, was preußische Baukunst ausmacht: ein reduzierter Klassizismus mit barocken Anklängen, Rundbogenfenster im Erdgeschoss in Erinnerung an die florentinische Renaissance, doch vor allem diese flächige Quaderung der Fassade, die Rustika von Albertis Palazzo Rucellai, die das Gebäude wie mit einem Netz von Zucht und Ordnung überzieht. Die preußischen Kasernen haben dieses Motiv verbreitet, in Potsdam, aber auch am Mehringdamm zu beobachten. Das Motiv des Balkons über dem Haupteingang, das Kaiser-Wilhelm-Palais, Staatsoper und Kronprinzenpalais vorgaben, wird von der Kommandantur nur sparsam knapp wiederholt. Für Festlichkeiten und Huldigungen wurde es nicht gebraucht.

Gefeiert wird in dem wiederaufgebauten Haus wohl oft werden. Gewohnt wird hier nicht mehr. "Repräsentanz" ist Sinn und Zweck und Charakter dieses Gebäudes. Die Räume entsprechen dem Maßstab des Gebäudes, den Fensterachsen, den Stockwerkshöhen. Die ganze Großzügigkeit des Entwurfs ist ins Innere übertragen, ein seltener Glücksfall, da man in derlei Gebäude normalerweise so viel Nutzung hineinstopft, dass sie aus allen Nähten platzen. Ein Glücksfall wohl auch, dass sich von der inneren Raumaufteilung des historischen Gebäudes keinerlei Planunterlagen auffinden ließen.

Vier Entwürfe standen zur Auswahl. Jene von Kahlfeldt Architekten und von Pfeiffer, Ellermann, und Preckel mit Fritz Neumeyer erfüllten nicht die Erwartungen des Auslobers, die Arbeiten von Hilmer, Sattler & Albrecht und des Kölner Architekten van den Valentyn gingen in eine Überarbeitungsphase, aus der schließlich letzterer als Sieger hervorging (siehe auch Tagesspiegel vom 31. 3.).

Thomas van den Valentyn, der in Berlin bereits die Konrad-Adenauer-Stiftung und ein leider allzu öde geratenes Bürohaus in der Friedrichstraße gebaut hat und am Jakob-Kaiser-Haus tätig ist, gelang es am besten, die äußere und innere Struktur des Hauses in Einklang zu bringen. Ein weitläufiges Vestibül öffnet sich im Erdgeschoss, linkerhand ein Saal mit 160 Plätzen, zur Rechten weitere Versammlungsräume, geradeaus der Wintergarten. Van den Valentyn hat sich um größtmögliche Symmetrie bemüht. Treppab erwartet die Besucher eine "Brasserie". In der Belle Etage regieren zwei Vorstände in den großzügig geschnittenen vorderen Eckzimmern, zwei "Repräsentanten" in den kaum bescheideneren rückwärtigen. Wo im Barockpalais der Ballsaal zu finden ist, nämlich im zentralen Balkonsaal, wird die Bibliothek eingerichtet - der Abzug des Kamins mitten durch die Lounge im zweiten Obergeschoss scheint freilich noch ein ungelöstes Problem zu sein.

Fünf nahezu identische Besprechungsräume stehen im zweiten Obergeschoss zu Verfügung. Dass die Dachterrasse gerne für aussichtsreiche Sektempfänge genutzt werden wird, steht außer Frage. Auch dieses Angebot hat van den Valentyn den Mitbewerbern voraus.

Wo die Kollegen basteln mussten, verwinkelte Raumfolgen und Flure benötigten, organisiert van den Valentyn den Grundriss mit einem klaren, schlüssigen System, als sei das Haus von innen nach außen entworfen. Ein Kunstgriff sei ihm verziehen: Den linken Seitenflügel hat er von zwei auf drei Achsen verbreitert. Somit ließ sich im Inneren der Grundriss geschickter organisieren und die rückwärtige Ansicht das Hauses zur Symmetrie ergänzt, gegenüber dem Original also idealisiert. Nur die drei Garagentore im Basement stören und sollten eliminiert werden.

Auffällige und einzige moderne Ergänzung des ansonsten penibel rekonstruierten Außenbaus ist der dreigeschossige Wintergarten zwischen den rückwärtigen Seitenflügeln. Wo die Kollegen in Schinkels Haut schlüpften und in Klassizismus dilettierten, blieb van den Valentyn seiner Linie treu und setzte selbstbewusst seine eigene Architektur dagegen, mit respektablem Ergebnis, das hoffentlich in der Realisierungsphase nicht noch zerredet wird.

Sicher werden die Schlossbefürworter ein wiederaufgebautes Kommandantenhaus freudig begrüßen und als Beweis für die Machbarkeit ihrer Sache ins Feld führen. Nur, die Kommandantur war ein homogenes Gebäude ohne aufwändigen, künstlerisch wirksamen Zierrat. Und es wurde eine wahrhaft adäquate Nutzung gefunden, eine repräsentative öffentliche Nutzung, die innen und außen, Erscheinung und Bedeutung schlüssig zusammenbringt. Und ein Investor, der nicht aus Gründen der Profitmaximierung in das Projekt eintritt, sondern als Bauherr für eigenen Belange handelt.

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