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© Rückeis

Berliner Kultur: Muskelspiele

Boros, Beuys, Berggruen und Breitz – und was kommt ins Schloss? Ein Rückblick auf das Berliner Kunst- und Museumsjahr 2008.

Beuys, Warhol, Koons, Klee. Wie Raketen zündeten diese Namen am Berliner Museumshimmel. Jeder einzelne erzeugte einen wahren Sternenregen; andere Lichtpunkte nimmt man daneben im Rückblick kaum wahr. Im Berliner Kunstjahr 2008 dominierte das Feuerwerk von Peter-Klaus Schuster, mit dem der Generaldirektor der Staatlichen Museen seinen Abschied nahm. So bleibt als letztes Schuster-Großereignis die geballte Kunstladung unter dem Titel „Kult des Künstlers“ in Erinnerung – noch bis in den Januar und Februar sind die Ausstellungen in der Alten und der Neuen Nationalgalerie, im Hamburger Bahnhof und in der Kunstbibliothek zu sehen.

Und doch gab es 2008 mehr als nur diesen einen opulenten Ausstellungsreigen, der im Rückblick wie das letzte Auskosten der Üppigkeit erscheinen mag, weil er zeitlich mit der eskalierenden Finanzkrise zusammenfiel. Nach dem Marathon von 2007 mit der Documenta in Kassel, der Biennale in Venedig und der großen Skulpturenausstellung in Münster folgte 2008 ein weiteres reiches Jahr für die Kunst, insbesondere in Berlin. Es begann mit einem großzügigen Geschenk. Friedrich Christian Flick vermachte den Staatlichen Museen 166 Werke, die bislang im Hamburger Bahnhof nur als Leihgabe zu sehen waren. Ein Glück für die Stadt, ist die Flick-Gabe doch seit Kriegsende die zahlenmäßig größte Schenkung an die Nationalgalerie. Zugleich wächst die Hoffnung, dass der Sammler nach Ablauf der Zehn-Jahres-Leihfrist Ende 2011 auch die anderen Teile seiner 2500 Arbeiten umfassenden Kollektion dauerhaft hergeben wird.

Das Jahr gehörte überhaupt der privaten Kunst- und Sammlerszene. Die insgesamt eher enttäuschende 5. Berlin-Biennale zeichnete sich vor allem durch Bescheidenheit aus. Schwarz und Grau als dominierende Farben dieser zur Tristesse neigenden Schau zeigten, dass die Künstler vielleicht vor den Börsianern ahnten, es werde so heiter nicht weitergehen.

Zum Coup hingegen wurde die zeitgleich zur Biennale Ende April angesetzte Eröffnung des ehemaligen Luftschutzbunkers nahe der Friedrichstraße als privates Kunsthaus des Sammlers Christian Boros, das den öffentlichen Museen demonstrierte, welche vor ihrer Haustür produzierten Werke ihnen entgangen waren.

Ein Wochenende lang zeigte Berlin der Welt noch einmal, wie gern sich hier die internationalen Künstler, Sammler und Kuratoren treffen. Und auch auf der Kunstschau „Art Berlin Contemporary“ (ABC), einer Mischung aus Messe und Ausstellung im Postbahnhof am Gleisdreieck, ließen die Berliner Galeristen Anfang September noch einmal ihre Muskeln spielen – elitär verbarg die aufwendige Verkaufsausstellung ihren kommerziellen Charakter. Mit der neuen Bescheidenheit lässt sich ein solcher Kraftakt vermutlich nicht wiederholen.

Im Sommer verlagerte sich der Kunst-Fokus dann nach Charlottenburg, wo ebenfalls Privatsammler zum Zuge kamen. Die Sammlung Scharf-Gerstenberg residiert seit Mitte Juli im östlichen Stülerbau vis–à-vis des Museum Berggruen. Die auf surrealistische Kunst spezialisierte Kollektion ist der jüngste Neuzugang für die Staatlichen Museen, die sich in Zeiten leerer Kassen weniger auf den eigenen Erwerb von Kunst als auf das Sammeln von Sammlern verlegt haben.

Auch gegenüber, bei der Sammlung Berggruen, stehen die Zeichen auf Ausbau. Die Familie des verstorbenen Sammlers klassischer Moderne gab bekannt, dass sie Berlin siebzig weitere Leihgaben zur Verfügung stellen werde. Dafür soll Platz im Nachbarhaus des Charlottenburger Museums entstehen, das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz umgestalten lassen will.

Der Name Berggruen tauchte dann nochmals im Zusammenhang mit der Bebauung des Humboldthafens auf. Dort soll ein Investor 23 000 Quadratmeter nutzen dürfen, wenn er der Stadt ein Museum ähnlich dem Guggenheim in Bilbao baut und dort in den ersten zehn Jahren seine Sammlung zeigt. Das klang wie zugeschnitten auf den Immobilienhändler, Kunstsammler und Berggruen-Sohn Nicolas. Die Ausschreibung läuft noch. Außerdem ließ der Regierende Bürger- und Kulturmeister Klaus Wowereit jedoch verlauten, dass auf dem Gelände auch die künftige Kunsthalle entstehen soll.

Ein eher verwirrendes Signal – zumal Ende Oktober mit Video-Installationen der südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz die Temporäre Kunsthalle am Schloßplatz eröffnet wurde. Der schlichte, provisorische Bau, den gegenwärtig Gerwald Rockenschaubs überdimensionale gepixelte Wolke ziert, soll zwei Jahre lang in Berlin bleiben und danach als Kunstbotschafter nach Moskau und Tokio weiterschweben.

Aus der Mitte entspringt ein Schloss. Zu den spannendsten Momenten des Kunstjahres gehörte gewiss die Wettbewerbsentscheidung zum Humboldt Forum. Am 28. November gab Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee bekannt, wer das Stadtschloss mit seinen drei barocken Fassaden und dem Schlüterhof wiedererrichten wird. Zwar dauert es noch etliche Jahre, bis dort tatsächlich etwas ausgestellt werden kann, doch mit der Entscheidung für den behutsam restaurativen Entwurf des italienischen Architekten Franco Stella wird die Diskussion um die Inhalte nun noch dringlicher.

Wie genau soll sich die außereuropäische Kunst aus den Dahlemer Museen dort präsentieren, vis-à-vis der Museumsinsel mit ihren ja auch antiken Schätzen etwa im Pergamon-Museum? So ist die bis zum 4. Januar verlängerte Ausstellung im Kronprinzenpalais mit den Architekturmodellen für das Humboldtforum samt Stellas Siegerentwurf am Ende die am heftigsten diskutierte Berliner Ausstellung des Jahres geworden.

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