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Kultur: Berliner Philharmoniker: Bernard Haitink öffnet die Herzen für Bruckners Abgesang

Ein Benefiz für die, die es brauchen, nicht mehr und nicht weniger ist das diesjährige "Konzert des Bundespräsidenten" für Johannes Rau. Dass der Erlös Berliner Straßenkindern zugute kommen soll, zwingt zum Nachdenken über die Situation der Stadt und ihrer Ärmsten.

Ein Benefiz für die, die es brauchen, nicht mehr und nicht weniger ist das diesjährige "Konzert des Bundespräsidenten" für Johannes Rau. Dass der Erlös Berliner Straßenkindern zugute kommen soll, zwingt zum Nachdenken über die Situation der Stadt und ihrer Ärmsten. Rau fügt hinzu, was heute von Politikern nicht oft so unumwunden gesagt wird: Musik öffnet das Herz.

Künstlerisch hat das Berliner Philharmonische Orchester guten Grund, mit dem Publikum in den großen Beifall für Bernard Haitink einzustimmen, klatschend und klopfend, und den Dirigenten des Abends damit für einen Moment ehrenhalber auf Händen zu tragen. Denn seine Interpretation der siebenten Symphonie von Anton Bruckner hat mit dem zu tun, was in der Musik zu Herzen geht. Die Aufführung reflektiert die langjährige Vertrautheit der Berliner Philharmoniker mit dem unprätentiösen Meister aus Amsterdam, der die musikalische Welt vor allem von London aus erobert hat.

Mit quasi improvisatorischem Gestus, zu dem der besondere Augenblick gehört, wird das Es-Dur-Konzert KV 449 von Wolfgang Amadeus Mozart vorangestellt, für manche Zuhörer ein allzu beiläufiger Beginn, aber unter dem Aspekt der folgenden Bruckner-Länge keine schlechte Wahl. Zumal der Pianist Emanuel Ax dem Stück mit kleinem Streichorchester, dazu "2 oboe, 2 corni ad libitum", seine geistreiche Interpretation zuteil werden lässt, dem locker Gefügten die Bedeutung des feinen Abphrasierens, des besinnlichen Innehaltens, des sensiblen Dialogs mit den Musikern. Der in New York lebende polnische Elite-Musiker ist in Berlin kein Fremder. Nach der prickelnden Beschleunigung des um der Deutlichkeit willen nicht zu schnell angesetzten Schlusssatzes bleibt der Gewinn, einem in der Öffentlichkeit seltener gespielten "concert von ganz besonderer Art" begegnet zu sein.

Obwohl Bernard Haitinks Interpretation der E-Dur-Symphonie Bruckners von Ebenmaß bestimmt ist, scheint der sonore Klang des Tubenquartetts mit Kontrabass-Tuba aus einer anderen Welt zu kommen. Aus ihrem Bann erhebt sich das Licht der Streicher. Bruckner hat das Adagio in der Vorahnung komponiert, dass Richard Wagner nicht mehr lange leben werde. Als ihn mitten in der Ausarbeitung des Satzes die Nachricht vom Tod Wagners erreichte, machte er aus dem Abgesang nach dem riesenhaften Höhepunkt mit dem berühmten, vielumstrittenen Beckenschlag eine Lamentatio "zum Andenken an den Hochseligen, heißgeliebten unsterblichen Meister". Es ist die Symphonie, die dem Musiker von St. Florian den ersten großen Erfolg brachte und die schon zu Lebzeiten Bruckners seine meistgespielte wurde, gewidmet dem Wagner-König Ludwig II. von Bayern.

Der Effekt eines musikalischen Zwischenreiches, den diese Wagner-Tuben bringen, verstärkt sich bei Haitink, weil er einen Aquarell-Bruckner dirigiert. Dominierend sind in seiner zarten Zeichnung die Regionen des Leisen. Jede Steigerung wird aus der Partitur allein gewonnen, ein Plenum ohne Lärm ist charakteristisch, eine subtile Intensität ohne Schwitzen. Die Philharmoniker geraten in Bestform, ihr Klang blüht auf in allen Gruppen, wenn die Musik so organisch fließt wie bei diesem Dirigenten, mit einer zauberhaften Selbstverständlichkeit der Übergänge. Wie das Scherzo über das Paukensolo (hervorragend: Wieland Welzel) "etwas langsamer" in ein gesangvolles Trio gleitet, das ist eine typisch ausgeprägte Haitink-Stelle.

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