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Der Dirigent Alan Gilbert.

© Berliner Philharmoniker

Berliner Philharmoniker: Das kurze Dasein der Euphorie

Dirigent Alan Gilbert spielt mit den Philharmonikern John Adams, der in dieser Saison Composer in Residence ist, und Béla Bartók.

Euphorie, dieser Zustand eines zeitlich begrenzten Hochgefühls, steht der Musik von je her nahe. Er schlummert stets in ihr, auch wenn Komponisten ihn mitunter so vorsichtig dosieren, als würden sie sich um das Amt des Drogenbeauftragten bewerben. Ganz anders der US-Amerikaner John Adams, in dieser Saison Composer in Residence der Berliner Philharmoniker. In seinen Kurzwerken für großen Klangapparat, kaum länger als Popsongs, schüttet er mächtig Musikendorphine aus – allerdings nur an jene, die sich seinem repetitiven, deshalb aber überhaupt nicht einfach aufzuführenden Stil ergeben.

Technisch lösen das die Philharmoniker unter der klaren Zeichengebung von Alan Gilbert bewundernswert, doch jenes Quäntchen Trunkenheit, das auch zu Adams' „Short Ride in a fast Machine“ oder „Lollapalooza“ gehört, bleibt ihnen hörbar fern. Vielleicht ja auch, weil sie gerade ernüchtert vom Tagesgeschehen ihre USA-Tour beendet haben. Desillusioniert vom Weg seiner Heimat in den Faschismus schrieb Bartók sein 2. Violinkonzert, ein überaus virtuoses, an vielen Stellen regelrecht verzaubertes Stück.

Frank Peter Zimmermann nimmt sich seiner mit sattem Ton an, entschlossen, sich in Euphorie zu spielen, trotz allem. Doch über Spannung allein ist Bartók nicht zu erlösen, zu fahl wirken im Kontrast dann erst recht die Stimmen des Orchesters, und dieser Eindruck nimmt zu, je stärker sich Zimmermann ins Zeug legt. Wie schon bei seiner Uraufführung 1939 wird Bartóks Violinkonzert in der Philharmonie mit Tschaikowskys Vierter gekoppelt, eine erstaunlich wirksame Programmierung.

Denn in der Symphonie tritt das klanggewordene Fatum nun ganz offen zu Tage – und daran, dass es die Oberhand behalten wird, besteht kein Zweifel. Der klug disponierende Gilbert lässt die Philharmoniker furios gleißen und donnern, reißt einen existentiellen Abgrund auf. Gegen ihn spielt das Orchester mit aller Zartheit und wilder Entschlossenheit an. Und findet schließlich zu jener Euphorie, die um ihr kurzes Dasein weiß.

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