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Ivan Fischer

© Borggreve/Konzerthaus

Berliner Philharmoniker: Ganz genau hinhören

Die Berliner Philharmoniker und Ivan Fischer verbindet eine lange Künstlerfreundschaft. Trotz Fischers Tätigkeit als Musikchef am Konzerthaus lädt das Orchester ihn regelmäßig ein. Jetzt dirigierte er Brahms, Beethoven und J. C. Bach in der Philharmonie.

Ein schönes Programm, das sich Iván Fischer für seinen Gastauftritt bei den Berliner Philharmonikern zusammengestellt hat. Doch kann Johann Christian Bach nicht schnell von einem Beethoven erdrückt werden? Dass der Frühklassiker trotzdem im Gedächtnis bleibt, liegt daran, dass Fischer eine seiner Symphonien für Doppelorchester ausgegraben hat. Ein Alte-Musik-Spezialist hätte vielleicht die Seufzermotive in den durchlaufenden Sechzehnteln des Mittelsatzes emphatischer hervorgehoben. Aber wenn sich der Oboist Albrecht Meyer und der Flötist Emmanuel Pahud wechselseitig im Aufblühenlassen schlichter Liegetöne zu übertreffen suchen, wirkt der Aufwand keineswegs verschwendet.

Um gleichberechtigte Kommunikation geht es auch in Beethovens viertem Klavierkonzert. Nur wenige Virtuosen musizieren mit einer derartigen Aufmerksamkeit für das Orchester wie Radu Lupu. Zu einem Höhepunkt wird der Beginn des Andantes, wo sich Lupu mit seinem zarten, sprechenden Gesang gegen das wütende Unisono des Orchesters mit so zerbrechlicher Macht durchsetzt wie einst Orpheus gegenüber den Furien. Was die Ecksätze betrifft, sind sich Fischer und Lupu einig, den heroischen Gestus des Konzerts mit Skepsis, ja, zuletzt sogar mit Ironie zu betrachten. Sie nehmen dabei bewusst in Kauf, dass die zielgerichtete motivische Entwicklung verschleiert wird, wodurch das Konzert aber wiederum vielschichtig wirkt.

Lupus wegen mag man darüber trauern, dass Arnold Schönberg das erste Klavierquartett von Brahms nur für Orchester allein bearbeitet hat. Doch auch hier erweist sich der Widerstand, den das Stück dem bloßen Durchhören entgegensetzt, als bereichernd. Schönberg bläst das Stück nicht einfach symphonisch auf, sondern unterzieht die Klänge gleichsam einer Spektralanalyse. Nirgendwo wirkt Fischer, dem bei aller Intelligenz und allem Charisma bisweilen ein Rest von Distanziertheit eines Orchestererziehers anhaftet, an diesem Abend gelöst. So ist der Jubel groß, als er im Finale, wo es darum geht, hinter der folkloristischen Fassade des „al zingarese“ einen ans Absurde grenzenden Aberwitz bloßzulegen, mit mächtiger klanglicher Wirkung außer sich gerät.

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