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HK Gruber 2015 in Salzburg.

© imago/Manfred Siebinger

Berliner Philharmoniker: Gefrierende Gemütlichkeit

Die Berliner Philharmoniker führen HK Grubers Klavierkonzert erstmals in Deutschland auf. Emanuel Ax muss sich als Solist an die ungemein vertrackten Takte spürbar heranrobben.

Was sich hinter den naiven, ganz unschuldig populären und dabei auch noch gemütvollen Klängen verbirgt, ist eine Welt, die den Komponisten HK Gruber immer schon gelockt hat. Als er HC Artmanns nachtschwarze Kinderreime in seinem Pandämonium „Frankenstein!!“ vertonte, gelang ihm der internationale Durchbruch. Das war 1978 in Liverpool, der junge Simon Rattle stand am Dirigentenpult, Gruber übernahm die Rolle des Chansonniers. Sie haben einander die Treue gehalten, und nun, beinahe vier Jahrzehnte später, leitet Rattles in der Philharmonie die deutsche Erstaufführung von Grubers Klavierkonzert.

Wieder liegt der musikalische Keim dort, wo das Populäre seine Unschuld verliert und jede Gemütlichkeit gefriert: in der Nacktlokal-Szene aus Grubers Oper „Geschichten aus dem Wiener Wald“, mit ihrer teilnahmslosen Shimmy-Musik als Hintergrund für bodenlose Dramen. Widmungspianist Emanuel Ax muss sich an seine beiläufigen, doch ungemein vertrackten Takte spürbar heranrobben und erzählt sich selbst dazu unhörbar eine Geschichte, in der es darauf ankommt, im richtigen Moment zu schweigen. Aus dem Orchester dringt das Echo einer Jazzband, aufgelöst in pointilistische Einwürfe. Das einsätzige Werk strömt dahin, suggeriert Lockerheit und fordert die Aufführenden doch nach Kräften. Das Genre des romantischen Solistenkonzerts wird augenzwinkernd umkurvt. Ehe das Pulsen seine Energie verloren hat, endet das Stück abrupt. Der subversive Humor von „Frankenstein!!“ ist im Klavierkonzert einer geläufigen Beherrschung des Apparats gewichen, unterhalten kann Gruber aber wie eh und je.

Von vornherein den dunklen und finsteren Stimmungen verschrieben hat sich Bartóks Operneinakter „Herzog Blaubarts Burg“. Kein Sonnenstrahl dringt in das Gemäuer, in dem Judith zu wissen verlangt, was sich hinter den sieben verschlossenen Türen befindet. Rattle, zutiefst vertraut mit Bartóks Schattenwürfen, hat eine erfreulich junge Besetzung für dieses Seelendrama ausgesucht. Leider bleibt Gábor Bretz als Blaubart letztlich zu kühl und fern, ein abwesender Mann. Rinat Shaham entlockt dem scheiternden Liebesplan ihrer Judith mehr, auch widersprüchliche Facetten. Am berührendsten aber leuchten die Philharmoniker ins Herz der Finsternis (noch einmal heute, Samstag, 19 Uhr).

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