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Berliner Philharmoniker: Künstlerleben

Mit beeindruckender Vitalität dirigiert der 86-jährige Herbert Blomstedt bei den Berliner Philharmonikern Hector Berlioz' "Sinfonie fantastique" und Paul Hindemiths "Mathis der Maler".

Herbert Blomstedt dirigiert bei den Berliner Philharmonikern zwei Symphonien, deren Programme mit dem Leben des Künstlers als Ausnahmemensch zu tun haben. Aus der Symphonie „Mathis der Maler“ ist bei Hindemith eine Künstleroper um den Schöpfer des Isenheimer Altars geworden, während Berlioz seinen Künstler im Opiumrausch in einen Hexensabbat schickt. Blomstedt selbst erzählt diese Märchen wie ein äußerst konzentrierter Zuschauer, dienend mit faszinierender Einfühlung. Dazu passt, dass der 86-jährige Maestro beide Werke auswendig beherrscht und mit unprätentiöser Selbstverständlichkeit durchsteht.

Paul Hindemiths „Mathis“-Symphonie wurde 1934 zum Politikum, weil die erfolgreiche Uraufführung durch die Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler bei den Nationalsozialisten eine Intrige provozierte: „Der Fall Hindemith“, Goebbels-Invektiven im Sportpalast. Der Komponist geriet als entarteter Kulturbolschewist just in einem Moment in Acht und Bann, da nach seiner frechen umstürzlerischen Jugend musikalische Selbstbescheidung eingetreten war. Bei heutigem Hören ist viel frischfröhlicher Kontrapunkt zu vernehmen, Posaunen, Goldgrund, „Es sungen drei Engel“, Handwerk. Die liebliche Flöte Emmanuel Pahuds steht hier für die Kunst der Bläser, und „Die Versuchung des Hl.Antonius“ wird hymnisch fromm befriedet. Das fällt aus seiner Epoche des 20. Jahrhunderts, zumal wenn es in Vergleich gerät mit einer Musik, die genau hundert Jahre früher entstanden ist und doch moderner klingt: die Avantgarde der „Fantastique“.

Die Philharmoniker wissen, was sie an diesem Dirigenten haben, der jährlich als vertrauter Gast wiederkehrt: Freiheit und Spannung. Er führt die Intensität des Kopfsatzes in den duftigen Walzer hinein, macht die Schönheiten des Adagio zu einem Höhepunkt, um dann den höllischen Hexentanz anzufeuern. Alles steht in der Partitur, die Instrumentierung mit Englischhorn und Oboe, vier Pauken, Es-Klarinette und zwei Tuben. Blomstedt liest das mit den Musikern gleichsam vor, aber so, dass die Neuheit der Klänge betont und gehegt wird. Sybill Mahlke

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