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Marek Janowski

© Felix Broede

Berliner Philharmoniker: Supernova aus Klang

Raunen verlorener Seelen: Marek Janowski, die Berliner Philharmoniker und der Berliner Rundfunkchor mit Verdis Requiem in der Philharmonie.

Giuseppe Verdis Requiem ist zweifellos ein monumentales Meisterwerk – aber taugt es auch zur Trauerarbeit? Die Interpretation von Marek Janowski, dem Rundfunkchor Berlin und den Berliner Philharmonikern kann ernsthafte Zweifel an der Eignung des Werks zum Totengedenken wecken. Was aber genau ihre Stärke ausmacht.

Alles beginnt mit einem herrlich intensiven Pianissimo des Orchesters, über dem sich ein unwirkliches, wie von verlorenen Seelen stammendes Raunen des Chors abhebt. In scharfem Kontrast dazu setzen die Männerstimmen ihr wie von Herolden vorgetragenes „te decet Hymnus“ (Dir gebührt ein Loblied) in die unheimliche Szene, bis nach einem grandios geschmeidig gestaltetem Übergang die Solisten einer nach dem anderen ihre erschreckten Bitten um Erbarmen in das Rund der Philharmonie schicken.

Was folgt, ist eine plastische Vision des Jüngsten Gerichts in Form einer imaginären Opernszene: Mit einigen wütenden Armbewegungen entfesselt der sonst eher subtil dirigierende Janowski eine klangliche Supernova voll unerbittlicher Aggressivität, bevor er und der bestens einstudierte Chor das entzündete Weltall effektvoll zu den Worten „cum Sybilla“ in sich zusammensacken lassen. Vor ihrem Richter deklinieren die Solisten die Facetten der Angst durch: von Erschütterung über flehentliche Bitten bis hin zum fast wütenden Schrei um Rettung.

Vision des ewigen Lichts

Im weiteren Verlauf machen sich bei ihnen neben den großen Stärken hier und da auch kleine Begrenzungen bemerkbar: So setzt Mezzosopranistin Daniela Barcellona zu einseitig auf vibratogesättigte angstvolle Betroffenheit. Ihre Stimme will sich dadurch etwa in der Vision des ewigen Lichts nicht vollkommen mit dem ätherischen Orchesterklang mischen. Auch im Duett mit der kraftvollen, kontrollierteren, aber dadurch letztlich nicht ausdrucksärmeren Sopranistin María José Siri zeigen sich interpretatorische Auffassungsunterschiede. Tenor Roberto Aronica wiederum ist stark im heroischen und stoischen Ausdruck, doch zeigt seine spannungsgeladene Stimme in zarteren Momenten in der Höhe ein leichtes Craquelé.

Durchgehend überzeugend und besonders präsent in den Schilderungen ernster Betroffenheit ist dagegen der Bass Riccardo Zanellato. Zur Intensität des Anfangs finden alle Kräfte im Libera Me zurück – und beenden das Panorama der Angst vor Schuld und misslingendem Leben mit einer Geste des Loslassens und der Ergebung in schutzlos reinem Dur.

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