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Andres Orozco-Estrada

© hr/Martin Sigmund

Berliner Philharmoniker: Traut euch was!

In der Saison 2016/17 wird nur ein einziger Dirigent als Debütant ans Pult der Berliner Philharmoniker treten - das ist zu wenig.

Die Termine sind ja so schnell weg! 50 Prozent aller Auftritte der Berliner Philharmoniker sind auch in der kommenden – seiner vorletzten – Saison für Chefdirigent Simon Rattle serviert. Dann will das Orchester natürlich mit den hoch verehrten Großmeistern arbeiten, solange es noch geht, also mit Herbert Blomstedt (dann 89), Bernard Haitink (88). Eine lieb gewordene Tradition ist Christian Thielemanns winterliches Doppelprogramm; und wenn man den an der Mailänder Scala und beim Lucerne Festival viel beschäftigten Riccardo Chailly für Verdis „Requiem“ gewinnen kann, greift man zu, ebenso wie bei jeder Möglichkeit, mit dem gesundheitlich fragilen Mariss Jansons zu musizieren.

Für alle Einladungen, die die Berliner in der Saison 2016/17 ausgesprochen haben, gibt es sicher gute Gründe. Doch wenn bei 34 Programmen in Berlin nur ein einziges Mal ein Debütant ans Pult tritt, nämlich Andres Orozco-Estrada, dann sieht das nicht gerade nach brennender Neugier auf Newcomer aus. Was sie von Alan Gilbert oder Semyon Bychkov bekommen, wissen die Musiker schon – mit dem 29-jährigen Lionel Bringuier, dem Chef des Zürcher Tonhalle-Orchesters, wäre es eine Klangreise ins Ungewisse geworden, ebenso mit Mirga Gražinyte-Tyla, der Litauischen Nach-Nach- Nachfolgerin Rattles beim City of Birmingham Symphony Orchestra.

So charmant es ist, dass die Philharmoniker regelmäßig Ivan Fischer und Tugan Sokhiev einladen – beide sind als künstlerische Leiter des Konzerthauses respektive des DSO stark präsent in der Stadt. Risikoreicher, aber auch aufregender könnte es sein, in der Region auch nach potenziellen Debütanten Ausschau zu halten: Evan Christ beispielsweise macht als Generalmusikdirektor in Cottbus eine tolle Arbeit, ebenso Antonello Manacorda bei der Kammerakademie Potsdam.

Die Zeiten, in denen sich das hauptstädtische Spitzenorchester ganz bewusst selber herausforderte, indem es gezielt mit Spezialisten der historischen Aufführungspraxis oder der zeitgenössischen Musik musizierte, liegen nicht lange zurück. 2016/17 wird allein Rattle für das Ungewöhnliche zuständig sein sowie sein Freund John Adams, den sich der Chef als composer in residence gewünscht hat. Die Gäste dürfen dann vor allem in klanglich-kulinarischer (Spät-)Romantik schwelgen. Wobei Kirill Petrenko, der designierte Chef ab 2019, das allerkonventionellste Programm zusammengestellt hat, mit Mozarts „Haffner“-Sinfonie und Tschaikowskys „Pathétique“.

Das Publikum wird sich daran kaum stören. Wohl aber an der Erhöhung der Kartenpreise in den vier oberen Kategorien – die bei der Saisonpräsentation übrigens mit keinem Wort erwähnt wurde.

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