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Berliner Pop-up-Galerien zeigen vier Ausstellungen: Die Avantgarde von gestern

Die Art Berlin Contemporary (ABC) hat ihre Zelte am Gleisdreieck abgebaut, zwei Pop-up-Galerien sind geblieben - und zeigen spannende malerische wie auch fotografische Positionen.

Post steht auf dem Plakat an der Tür, weshalb man sich sofort vor einer der vielen aktuellen Ausstellungen über die Bildästhetik der Post Internet Art wähnt – einer Kunst, die sich von der digitalen Bilderflut überrollen lässt, um daraus Neues zu remixen. Es ist dann aber doch ganz anders in den temporären Ausstellungsräumen am Station Berlin (Luckenwalder Straße 4-6, bis 28. September, 12-19 Uhr). Die verblüffend umfangreiche Schau feiert nicht das Web, sondern operiert mit dem erweiterten Begriff der Malerei.

Bis auf Tim Berresheim arbeiten alle ausgestellten Künstler klassisch mit Farbe auf Leinwand. Die Ergebnisse (Preise auf Anfrage) driften allerdings komplett auseinander und reichen von den verführerisch transparenten Farbblasen eines Georg Dokoupil bis zu den verstörenden Szenerien von Franz Graf, dessen Motive zwar figurativ und dennoch uneindeutig sind. Geht es um Sex, Gewalt – oder beides? In die Kunstgeschichte weisen die Arbeiten von Tom Grundmann und der großartigen Katrin Plavcak, die hier leider mit schwächeren Arbeiten vertreten ist.

Einen starken Auftritt hat hingegen Maria Zerres. Ihre neo-expressiven Großformate waren in den neunziger Jahren häufiger zu sehen, sind aber in jüngerer Zeit zu Unrecht etwas aus dem Blick geraten. Vielleicht, weil sie Emotionen in einer Zeit schüren, die immer noch die Ironie pflegt. „Post“ ließe sich dann auch als Aufforderung verstehen, endlich damit abzuschließen – dann wäre die Malerei von gestern auf einmal wieder Avantgarde.

Die Hardhitta Gallery macht einen Sprung zurück

Einen echten Sprung zurück macht die benachbarte Hardhitta Gallery. Auch sie ist eine flüchtige Angelegenheit und war 2011 schon einmal auf der Potsdamer Straße mit einem Pop-up-Store zu Besuch in Berlin. Als Direktor agiert Bene Taschen, und einige der von ihm favorisierten Fotomotive (1600-25000 Euro) sind deutlich älter als der Verlegersohn. Erneut dabei ist Gregory Bojorquez mit Eindrücken aus einem düsteren Los Angeles und der nüchternen Info, dass viele seiner Porträtierten nicht mehr leben.

Joseph Rodriguez: Chronist der lost generation

Joseph Rodriguez wirkt wie der sensiblere Chronist einer lost generation in Spanish Harlem, und Miro Zownir hat Berlin in den achtziger Jahren so hart und dreckig und entfesselt festgehalten, dass man sich die Augen reibt. In der aufgeräumten Stadt von heute scheint der öffentliche Exzess abgeschafft, obwohl die Stadt von diesem Ruf ewig zehren wird. Ist das wirklich erst eine Generation her? Selbst die beiden Love-Parade-Gänger, die 2003 in schwarzem Leder und mit spitzen Zungen vor Zownir posieren, wirken wie aus einer vergangenen Ära.

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