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Blumenkinder. Tanja Pippi und Angy Lord sind die Jolly Goods.

©  Stefanie Walk/Jolly Goods

Berliner Rockband Jolly Goods: Mädchen, du musst hier raus

Die Jolly Goods machen feinen Garagenrock. Am Samstag treten die Schwestern in Berlin auf, im Herbst kommt ihr neues Album heraus.

Tanja Pippi und Angy Lord, die mit bürgerlichen Namen garantiert anders heißen, tragen heute keine Bärte. Auf ihren offiziellen Bandfotos stehen die beiden Schwestern, die gemeinsam die Berliner Rockband The Jolly Goods bilden, mit ernster Miene da. Beide ganz in Schwarz, Blumen haltend, als würden sie sich gerade auf einer Prozession befinden. In Tanja Pippis Haar schimmert eine blaue Strähne, was auch einigermaßen irritierend wirkt, und dann sind da eben diese stoppeligen Dreitagebärte in den Frauengesichtern. Eine Absage an die Schönheitsideale der Heidi-Klum-Welt. Zwei junge hübsche Frauen, die mit Haaren im Gesicht kokettieren und die wahrscheinlich auch Haare an anderen Stelle haben, wo junge hübsche Frau heutzutage niemals Haare haben sollen, sind trotz Postfeminismus und Charlotte Roches „Feuchtgebieten“ immer noch bemerkenswert.

Vorbild für die performativen Genderstudies der Jolly Goods sind nicht Lady Gaga und ihre grelle, postmoderne Queerness. Viel wichtiger sind ihnen – was auch der musikalischen Nähe geschuldet ist – Patti Smith und PJ Harvey. Androgyne Rockfrauen, die immer ihr eigenes Ding durchgezogen haben. Feministinnen. Hört man sich beispielsweise den Jolly-Goods-Song „Try“ an, in dem sich Tanja Pippis Stimme immer wieder überschlägt, muss man aber auch an Kathleen Hannah denken, überhaupt an die Dringlichkeit von RiotGrrrl-Bands wie Bikini Kill oder Sleater Kinney. Eine Ahnengalerie, gegen die die Jolly Goods bestimmt nichts einzuwenden haben.

Allerdings wollen sich die Schwestern gar nicht so gerne auf eine bestimmte Musikrichtung festlegen lassen. Zwei Platten haben sie bisher veröffentlicht, und auf diesen lässt sich bereits ein Weg vom derben und unmittelbaren Garagenrock hin zu arrangierteren und ausgefeilteren Songstrukturen verfolgen. Piano und Streicher sollen auf dem dritten Album, das diesen Herbst erscheint, noch mehr Raum bekommen. „Das Album“, sagt Tanja Pippi beim Gespräch in einer Neuköllner Bar , „wird sogar beinahe in eine Poprichtung gehen.“ Sie verspricht sogar, dass Trompeten zu hören sein werden. Ihre Schwester Angy Lord tritt inzwischen auch gelegentlich mit einem Soloprogramm auf, bei dem sie dunkle, gruftige Moritate singt und sich dabei am Klavier selbst begleitet. Auch dieses Bekenntnis zur Düsterkeit wird wahrscheinlich die Klangfarben des Jolly- Goods-Sounds verändern, um nicht zu sagen: verblassen lassen.

Das Duo lebt schon eine ganze Weile in Berlin. Dass sie aus dem hessischen Rimbach hierher gekommen sind, spielt allerdings immer noch eine Rolle. Zuerst wollen die beiden nicht so richtig darüber reden, rücken dann aber doch mit der Sprache heraus. Tanja Pippi spricht von der „Flucht aus dem Dorf“ nach Berlin, wo man sich als Mensch, der Musik macht, nicht mehr so alleine fühlen müsse.

Tanja Pippi singt und spielt Gitarre, Angy Lord sitzt hinterm Schlagzeug

Zuletzt waren sie, die beiden Schwestern, mit befreundeten Musikern auf Tour, um ihren teilweise doch recht aufwendigen Sound live besser reproduzieren zu können. Unter anderem gehörte Hans Unstern mit zu ihrer Band, dieser begnadete Berliner Eigenbrötler, der mit den Jolly Goods befreundet ist und auch deren letzte Platte mitproduziert hat. Jetzt konzentrieren sich die Schwestern wieder stärker auf sich selbst. Sie proben wieder zu zweit und sie geben Konzerte zu zweit, so wie am Samstag beim Down By The River Festival im About Blank. Tanja Pippi singt, spielt Gitarre und Keyboards, Angy Lord sitzt hinter dem Schlagzeug. Ähnlich wie bei den White Stripes hat man auch bei dem Minimalismus der Jolly Goods nicht das Gefühl, dass etwas fehlen würde. „Zu zweit, das fühlt sich richtiger an für uns“, erklärt Tanja Pippi, „und das Konzept ist einfach schöner: Wir zwei gegen die Welt.“

In Zeiten, in denen CDU-Anhänger Lieder der Toten Hosen auf Wahlpartys mitgrölen und der aktuelle Generalsekretär der Partei eine Punkband-Vergangenheit hat, das Subversionspotenzial von Rockmusik also immer mehr gegen null geht, wird bei den Jolly Goods gemeinsames Texten, Singen und Musizieren bemerkenswerterweise erneut zu einem Wir-gegen-euch-Ausdrucksmittel. Da wirkt dann immer noch die spießige Idylle des Odenwalds nach, der das Schwesternpaar entflohen ist, diese bleibt der Hallraum ihrer Musik. „Girl, Move Away From Here“, so lautet nicht umsonst der Titel eines ihrer Songs, der als genereller Aufruf zur Flucht aus den Kuhkäffern dieser Welt gedeutet werden kann.

Von der Provinz in die Metropole, die klassische Pop-Selbstbefreiung. Frank Spilker, Bernadette La Hengst und Jochen Distelmeyer kamen einst aus Bad Salzuflen nach Hamburg, Dirk von Lowtzow ließ die Fahrradfahrer von Freiburg hinter sich. Gegen die „Odenwaldhölle“, von der erst jüngst die FAZ-Redakteurin Antonia Baum in einem ihrer Texte sprach, richtet sich das „Teamgefühl“ der Jolly Goods, wie Angy Lord betont. Auch hier in Berlin.

Außerdem finden die Schwestern bestimmt nicht, dass in Berlin nun alles besser wäre. Einen Text der hier sitzenden Popzeitschrift „Spex“ über ihre Band fanden die beiden so schrecklich und sexistisch, dass sie der Redaktion einen Brief schrieben. Und während der Fußball-WM wirkte die Stadt für sie wie ein einziger riesiger Dorfplatz, auf dem grölende Betrunkene mit ihren Deutschlandfahnen herumwedelten. Auch in Berlin bleibt damit den Jolly Goods also einiges, gegen das sie ansingen und durchaus auch anhassen können.

„Down By The River“-Festival, 26. Juli, 14 - 22 Uhr im About Blank, Markgrafendamm 24 c, mit Jolly Goods, Schnipo Schranke, Heidi Alexander, Jakob Dobers, Zentralheizung of Death des Todes u. a.

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