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Kultur: Berliner Schloßpark-Theater: Wien für schwache Nerven

Der Komtur, hier heißt er "Ein Herr", kommt schon im ersten Akt, um den Frauenverführer zum Duell zu bestellen. Es endet für den Bösewicht, wie es sich gehört, tödlich - zwischen dem zweiten und dritten Akt.

Der Komtur, hier heißt er "Ein Herr", kommt schon im ersten Akt, um den Frauenverführer zum Duell zu bestellen. Es endet für den Bösewicht, wie es sich gehört, tödlich - zwischen dem zweiten und dritten Akt. Bösewicht? Dieser Fritz Lobheimer aus Arthur Schnitzlers Schauspiel "Liebelei" ist doch ein lieber Junge, angenehm gebildet und vermögend. Die Neigung zum Träumerischen, Verschatteten macht ihn für Frauen begehrenswert, und so lässt er sich gern treiben. Mit dieser Bindungslosigkeit steht er nicht allein, sie ist Zeichen seiner Zeit. Arthur Schnitzler versammelt in dem 1895 am Wiener Burgtheater uraufgeführten Stück Männer und Frauen, die über sich selbst wenig wissen und ihrem Leben wie einem ungefähren, zufälligen Versuch staunend zusehen. Aber da gibt es auch Christine - die Einzige, die sich täuschen, aber nicht biegen lässt. Für sie bedeutet Liebe Leben oder Tod. Kann das, mehr als ein Jahrhundert später, auch heute noch berühren, als eine achtungsvoll aufzunehmende Geschichte aus dem längst Vergangenen?

Heribert Sasse im Schlosspark-Theater geht es gerade um diese ferne, leise, wehmutsdurchtränkte Zeit, nicht um ihren Transport in Gegenwärtiges. Dass die Fremdheit der Figuren, ihre Unbestimmtheit, ihre artig verbrämte Verantwortungslosigkeit auch böse gelesen und gespielt werden könnte, lässt er beiseite. Kein Panoptikum der Untüchtigen, Verlogenen, Verdammten kommt auf die Bühne, sondern die zärtliche Erinnerung an eine Wiener Jahrhundertwende, in der alle kommenden Katastrophen noch nicht einmal die Träume erreicht haben. So beginnt das Geschehen im üppigen Zimmer Fritzens in einer großen Ruhe, das Milieu (Bühne Frank Wisniewski) stellt sich sozusagen selber zur Schau, zu den stummen Hantierungen des Dieners. Der Zuschauer soll Witterung aufnehmen, sich in das Leise, Ungefähre, in das halbe Offenbaren und schüchterne Verstecken, aber auch in manche beiläufige Frechheit der Figuren hineinfinden. Sasse selbst, in der Rolle des Violinisten und Christine-Vaters Weirich, versucht einen fast komödischen Ton in die sich anbahnende Tragödie zu bringen. Er zeigt einen verstruwwelten Alten, der einen aus dem ganzen rundlichen Körper kommenden Optimismus verteidigt, lächelnd, kollernd, kindisch und dann verzweifelt.

In das Eigentümliche der versunkenen, mit Ernst und Würde behandelten Wiener Welt um 1895, auch in ihren Sprachduktus, fügt sich Robert Hollmann als Theodor, der junge Mann für alle Fälle, am geschmeidigsten ein. David Oberkogler als Fritz bleibt zurückhaltend, wie im Dunkel, bekennt sich zur verschwimmenden Kontur dieses unglückseligen Liebhabers. Emese Fày hat das Rasche, Zugreifende, Illusionslose der Modistin Mizi, sie arbeitet dadurch den Gegensatz zum "süßen Mädel" Christine forsch, aber auch mitleidsvoll berührt heraus. Kristine Bangert spielt die Schöne ohne Sentimentalität, gerade, einfach, selbstbewusst.

"Solche Abende sind meine Schwärmerei" sagt Theodor zu Fritz im ersten Akt. Nun ja, wenn man diesen frühen Schnitzler mag, so angenehm temperiert, wenn man sich wieder einmal an verschrobenen, irgendwie liebenswerten Leutchen, auch an wunderschönen Kostümen (Irmgard Kersting) erfreuen will und keine Aufregungen im Theater erwartet - dann vielleicht.

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