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Siegel aus Mesopotamien aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. Es zeigt Gilgamesch, der einen Löwen stemmt.

© imago/UIG

Berliner Singakademie: Der König weint

Die Berliner Singakademie weckt mythische Geister - mit einer Vertonung des Gilgamesch-Epos und mit Goethes Walpurgisnacht-Ballade.

Die frühen Tage der Menschheit und ihre großen Gedanken behandelt ein Ausnahmekonzert der Berliner Singakademie. Mit einer Fülle ungewohnter Texte und Klänge stellt Achim Zimmermann das Publikum auf die Geduldsprobe, es quittiert den Abend mit Spannung und viel Beifall. Als Beitrag zum „Berlin-Babylon-Bagdad“-Projekt der Humboldt-Universität führt das Programm tief in den Brunnen der Vergangenheit.

Das „Gilgamesch-Epos“, überliefert aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus, ist die wichtigste vorhomerische Dichtung, ein Faszinosum mit starken Nachwirkungen. Bohuslav Martinů, der tschechische Komponist aus Josef Suks Schule, konzentriert sich in seinem gleichnamigen Oratorium auf die Epos-Erzählung vom mythischen König Gilgamesch und dem Tiermenschen Enkidu. Und die hat es in sich: Zwiespältig zeigt sich das Wesen Gilgameschs, stark, voller Macht, brutal, und doch: ein König, der weint. Enkidu trifft auf ihn als Feind, der zum Freund wird und dessen Tod er nicht verwindet. Männerfreundschaft, Vergänglichkeit: „Enkidu, steig aus dem Grab!“

Bohuslav Martinů siedelt am Rand der Moderne

Sehr bildhaft schildert die Partitur den Kampf der beiden Helden, inspiriert von alter Musik mit feiner Instrumentalmischung die Klage: „Die Tage der Menschen sind gezählt!“ Berichtend und kommentierend dominiert der Chor: Die Singakademie sorgt dafür, dass der verzweigte Text zu verstehen ist. Sie genießt im Vergleich mit anderen Chören den Vorteil ihrer historisch gewachsenen Zusammenarbeit mit dem Konzerthausorchester. Eine lockende Frauenstimme (Christina Roterberg) und drei eindrucksvolle Sänger (Stephan Rügamer, Andreas Jäpel, Egbert Junghanns) tragen als Protagonisten und Erzähler zur farbigen Aufführung bei. Illustrative und nachdenkliche Töne im Konzerthaus, der böhmische Musikant siedelt am Rand der Moderne.

Schließlich „Die erste Walpurgisnacht“, Goethes Ballade, vertont von Mendelssohn Bartholdy. Sie gönnt dem Heidenvolk den Sieg über die „Pfaffenchristen“ und ein munteres Frühlingsfest, begleitet von Pauken, Großer Trommel und Becken: „Kommt mit Zacken und Gabeln“. Ein Stück für die Klangkultur der Singakademie. Wenn die Feier höllisch anschwillt, ist die Wolfsschlucht nicht weit.

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