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© Förderverein Berliner Schloss/eldaco/ddp

Berliner Stadtschloss: Zaudern heißt Stillstand

Warum Berlin den Wiederaufbau des Stadtschlosses braucht. Eine Erwiderung von Kulturstaatssekretär André Schmitz auf eine Polemik von Christiane Peitz, Tagesspiegel-Kulturchefin.

Die Stunde der Entscheidung naht. In wenigen Tagen wird das Preisgericht hoffentlich den Siegerentwurf für das Humboldt-Forum vorstellen. Es wird also nicht nur spannend. Es wird endlich auch konkret - nach Jahren der Debatten, in denen der Schloßplatz mehr als einmal gedanklich umgepflügt wurde.

Jetzt kommt es darauf an, die nächsten Schritte vorzubereiten. Der Bundesbauminister muss dafür Sorge tragen, dass pünktlich ab 2010 mit dem Bau des Humboldt-Forums begonnen werden kann. Auch gilt es jetzt, all die Verheißungen, die dieser "Werkstatt für den kulturellen Dialog" , so Klaus-Dieter Lehmann in seiner Zeit als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, von ihren Befürwortern mitgegeben werden, in ein pragmatisch-charismatisches Konzept zu gießen. Dafür verantwortlich ist vor allem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Denn eines lehrt die Schloßplatz- Debatte seit Anbeginn: Allzu viel reflexives Verharren verträgt das Projekt nicht. Zauderei bedeutet Stillstand. Und der spielt jenen in die Hände, die den Bau des Humboldt-Forums am liebsten ganz verhindern oder auf die lange Bank schieben würden.

Das kann freilich niemanden freuen, dem der Schloßplatz als herausragender Ort kultureller Repräsentation in der Mitte Berlins am Herzen liegt. Dazu sollten auch die Mitglieder der Jury gehören, deren Votum mit Spannung erwartet wird. Umso erstaunlicher ist, dass kurz vor Toresschluss Fachpreisrichter im aktuellen "Spiegel" grundlegende Bedenken gegen den Wiederaufbau der Schlossfassade anmeldeten. Der Vorsitzende der Architektenjury Vittorio Lampugnani erklärte gewunden, "dass ein heutiger Kollege besser sein könnte als Andreas Schlüter um 1700". Das Tagesspiegel-Feuilleton schlug am Sonntag in dieselbe Kerbe: "Warum aus dem Berliner Stadtschloss nichts Gutes werden kann", so Christiane Peitz.

Die Konsequenz wäre, das Humboldt-Forum nicht zu bauen

Woher kommt dieser plötzliche Verdruss? Im Fall der Architekten fällt die Antwort leicht. Moderne Architektur hatte an diesem symbolischen Ort nie eine ernsthafte Chance. Seit Wilhelm von Boddien und sein Förderverein die Schlossfassade 1993/94 als Plastik attrappe im Wind knattern ließen, hatte der Schlüter-Bau die Herzen nicht nur der Berliner gewonnen. Dagegen kam kein moderner Entwurf an. Das nagt. Zumal die historische Rekonstruktion vielen Vertretern der Zunft als eines der letzten Tabus der Nachkriegsgeschichte gilt: ideologisch be denklicher Schmock kaiserseliger Zeiten - und das Gegenteil aufgeklärter Baukultur im Zeichen einer demokratischen, transkulturellen Bürgergesellschaft.

Wie konstruiert dieser Gegensatz ist, zeigt sich an vielen Stellen der Stadt, wo die Besinnung auf historische Maße die durch Krieg und Teilung geschlagenen Wunden schloss. Aber nirgendwo wird das so deutlich wie bei der Debatte um den Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses. Mehrheitsfähig und demokratisch legitimiert ist einzig die historische Rekonstruktion. Nicht nur, dass sich die Bürgerinnen und Bürger das Stadtschloss zurückwünschen, das SED-Chef Ulbricht einst sprengen ließ. Auch der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli 2007 den Wiederaufbau eindeutig beschlossen.

Die Ausschreibung des Architekturwettbewerbs, über den jetzt entschieden wird, setzt diesen Mehrheitswillen wortgenau um. Das ist - um es deutlich zu sagen - ein starkes Mandat für jeden Preisrichter. Wer diesen Wunsch des Bauherren meint nicht mittragen zu können, hätte sich nicht für eine solche Jury zur Verfügung stellen dürfen.

Ganz andere Albträume plagen offenbar Christiane Peitz. Sie wärmt - von "zu klein" und "zu teuer" bis "Disneyland" - bekannte Vorurteile gegen das Humboldt-Forum auf. Aber ihre Polemik gebiert nur ein harmloses "Schlossgespenst". Polemik - da steckt "Polemos" drin, das griechische Wort für "Krieg". Statt jedoch für die richtige Sache zu kämpfen, tritt Peitz gleich den Rückzug an. Nicht die einzigartige Chance des Erfolgs sieht sie, sondern nur die Gefahr des Misserfolgs. Was aber wäre die Konsequenz dieser Verzagtheit? Das Humboldt-Forum nicht zu bauen.

Ein französischer Präsident hätte es schon längst zu seinem Grand Projet erklärt

Darauf liefen auch die Architekten einwände hinaus. Wer jetzt ästhetische Grundsatzdebatten führen will und den Bundestagsbeschluss zur Wiedererrichtung des Schlosses und den Bau des Humboldt-Forums infrage stellt, der stellt das Humboldt-Forum selbst infrage. Und das wäre fatal. Denn: Die inhaltliche Konzeption für die Mitte Berlins ist großartig. Was wären die Alternativen? Vielleicht ein leerer Ort, der zum freien Atmen einlädt, wie Christiane Peitz nahelegt?

Denken wir ein paar Jahre zurück: Da kursierten Vorschläge, hinter der Schlossfassade ein Hotel mit Tiefgarage zu errichten, ein Kongresszentrum oder eine als Public-Private-Partnership projektierte gemischte Nutzung mit den Dahlemer Sammlungen versteckt im Keller. Erst der Bundestag durchschlug 2007 den gordischen Knoten.

Die Idee des Humboldt-Forums verbreitet verführerischen Glanz: Die wunderbaren außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zusammen mit den wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität und einer modernen Bibliothek gleich gegenüber der Museumsinsel, die die Menschheits geschichte des werdenden Europa präsentiert: So kann das Humboldt-Forum zum Symbol für das Kulturverständnis der ganzen Bundesrepublik werden.

Damit wächst das Großprojekt auch ideell zur gesamtstaatlichen Aufgabe. Ein französischer Präsident hätte es längst zu seinem Grand Projet erklärt. Dagegen wirkt die Berliner Republik fast verzagt. Dabei erfährt die Politik in den Zeiten der Finanzkrise ja gerade, dass sie Handlungshoheit auf Feldern zurückgewinnt, die ihr längst entglitten schienen. Muss denn immer erst eine Krise ausbrechen, damit neue Gestaltungsmöglichkeiten erkannt werden? Das Humboldt-Forum gehört ins Zentrum kulturpolitischen Handelns.

Es muss leidenschaftlich gestritten werden

Würde diese Chance ergriffen, könnte das ein Signal für einen kulturpolitischen Aufbruch sein. Allzu oft geht es zuvorderst ums Geld - gerade zwischen Bund und Ländern. Mit Humboldt Forum und Museumsinsel könnte eine Wende hin zu neuen, inhaltlichen Debatten gelingen. Die Präsentation Deutschlands als Wissensgesellschaft, die außereuropäischen Kulturen auf Augenhöhe begegnet, wäre ein Anspruch, der unsere Kompetenz auch auf anderen Gebieten er hö hen könnte: etwa bei der Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Auch könnte Deutschland im Dialog der Weltkulturen in der Völker gemeinschaft neues Ansehen gewinnen.

Deshalb ist es wichtig, dass nach der Juryentscheidung diese neue, inhaltliche Debatte beginnt. Gesucht wird ein Konzept, das den hochsymbolischen Ansprüchen an das Humboldt-Forum gerecht wird. Darüber darf, darüber muss leidenschaftlich gestritten werden. Je eher, desto besser.

Der Autor ist Kulturstaatssekretär in Berlin und Mitglied der Sachpreisjury des Schlosswettbewerbs.

André Schmitz

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