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Die Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Herta Müller hat das Projekt angeregt.

© dpa

Berliner Tagung zum Thema Exilmuseum: Ein Ort für die Ortlosen

Exil während des NS - bisher fehlt ein repräsentatives Haus, das diese Erfahrung im öffentlichen Bewusstsein verankert. Wie und wo man so etwas realisieren könnte, wurde im Literaturhaus diskutiert.

In Deutschland fehlt ein repräsentatives Haus, das helfen kann, die Bedingungen und die Erfahrungen des Exils in der Zeit der NS-Diktatur im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Darin waren sich Experten und Interessenten, die im Berliner Literaturhaus in der Fasanenstraße zusammengekommen waren, einig. Kontrovers wurde allerdings erörtert, welche Inhalte und welche Ausstellungsmethoden angemessen wären.

Die Nobelpreisträgerin Herta Müller hatte vor drei Jahren das Projekt zum öffentlichen Thema gemacht. In ihrer Einleitung zeigte sie, wie die Erinnerung an das Exil in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte bewusst ausgeblendet wurde. Dem gefühlsbeladenen Begriff der Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten stellte sie den sachlich-kalten Begriff der Emigranten gegenüber, die ja auf ihre Weise Widerstand geleistet und ein anderes, zukunftsträchtigeres Deutschland verkörpert hatten.

Anteilnahme und Empathie

Der Tübinger Germanist Jürgen Wertheimer ging auf heutige Migrationsströme ein, warnte aber vor Verklärung des Exils und falschen Parallelsetzungen. Er veranschaulichte literarische Strategien bei der Bewältigung der Exilerfahrung bei Bertolt Brecht, Anna Seghers, Hilde Domin und anderen.

Zwei Podien befassten sich mit der Definition, der Lokalisierung und den Aufgaben eines Exilmuseums. Ein Ort der Darstellung und Vermittlung solle es sein, mit einer Dauerausstellung, zu der wechselnde Ausstellungen hinzukommen könnten. Bisherige Institutionen befassen sich nur marginal mit dem Exil; in dem neuen Ort soll dieses Thema zentral sein. Dabei sollen Kontakte zu Institutionen mit verwandten Themen durchaus gesucht werden.

Christoph Stölzl brachte Realismus, aber auch Begeisterung in die Diskussion. Mit modernen (elektronischen) Mitteln sollten dort Lebensgeschichten aus dem Exil veranschaulicht werden, denn dies entspreche dem Hauptinteresse künftiger Besucher. Keine Abspielmaschine solle entstehen, sondern eine Institution, die Anteilnahme und Empathie erzeuge, aber auch deutlich mache, welch tiefen Bruch in der deutschen Geschichte die Ausbürgerungen und Fluchten seit dem Jahr 1933 bedeuteten.

Exil als Moment weltweiten Wissenstransfers

Nicht nur Literaten und Künstler, sondern alle Berufsgruppen müssten vorkommen. Wichtig sei, das Exil nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Vertreibung zu sehen, sondern auch als Moment eines weltweiten Wissenstransfers. Stölzl hielt das Gelände des Anhalter Bahnhofs für einen geeigneten Standort, an dem sich einst so viele Abschiedsszenen abgespielt hätten.

Dann läge es allerdings dem geplanten Vertriebenenmuseum direkt gegenüber, als Symbole zweier rivalisierender Erzählungen. Aber niemand in der Runde hatte bei diesem Thema Berührungsängste. Die Nachbarschaft der Topografie des Terrors oder das Humboldtforum wurden ebenfalls als denkbare Standorte benannt. Bis zur Konkretisierung dürfte es noch ein langer Weg sein; die Politik davon zu überzeugen ist ein anderes Kapitel. Kulturpolitiker waren nicht anwesend.

Manfred Flügge

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