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Kultur: Berliner Tribüne: Von der Hoffnung auf den aufrechten Gang

Die Vertreibung alter Menschen aus ihrer Lebensumwelt ist ein böser Vorgang. Raum für Heiterkeit scheint es da kaum zu geben.

Die Vertreibung alter Menschen aus ihrer Lebensumwelt ist ein böser Vorgang. Raum für Heiterkeit scheint es da kaum zu geben. Vielleicht aber für grimmigen Humor - auf dem Theater, oder im Fernsehen. Wie verschieden das auch gefügt sein mag, bei Kroetz ("Weitere Aussichten ..."), Tankred Dorst ("Herr Paul") oder nun bei Peter Stripp in seinem für die TRIBÜNE geschriebenen Stück "Sanssouci" - es geht immer um das Messen unerbittlicher Realität an den gewachsenen Erfahrungen und bewahrten Träumen von Menschen, die diese Realität. Ihr Trotz allein ist es, der die Hoffnung gebiert in die Möglichkeit des aufrechten Gangs. Stripp bringt zwei Sonderlinge auf die Bühne, deren leicht verrückte Wohngemeinschaft durch einen Räumungsbefehl gefährdet ist. Die alte Dame und ihr Untermieter, ein in die Jahre gekommener Transvestit, umsorgen einander wie in einer Symbiose, an die Schrullen und Spinnereien des jeweils anderen unauflöslich gebunden. Für beide kommt ein Nachgeben nicht in Frage. Eine dramaturgisch streng konstruierte Geschichte baut Peter Stripp für diesen unverkrampften Überlebenskampf nicht. Er stellt kurze Szenen wie Momentaufnahmen nebeneinander, die Charme besitzen, sich vor dem schlimmen Ende des warmherzig beschriebenen Idylls aber hüten. Sein auf den neuesten Berliner Stand gebrachtes Stück leugnet die Herkunft vom Fernsehen nicht - Vorgänger ist das 1973 gesendete preisgekrönte Fernsehspiel "Im Reservat".

Leichtigkeit und Charme sucht Rainer Behrend auch in die Inszenierung zu bringen. Olga Lunow stellte ein mit Möbeln und jahrzehntelang aufgehäuftem Hausrat vollgestopftes, behagliches Zimmer auf die Bühne, das seine anheimelnde Unordnung verliert und am Ende kahl dasteht. Friederike Minkwitz, die mit Räumungsbefehl belegte Alte, spielt Annemarie Wendl (Else Kling in der "Lindenstraße") mit störrischer Betulichkeit. Sie kann "Abwesenheit" von alltäglichen Zwängen zeigen als Bürde des Alters, listige Täuschung und Bedürfnis nach Zärtlichkeit. Alfred Bergmann, den Untermieter, bringt Lutz Mackensy als einen Kerl auf die Bühne, der das Anderssein mit Selbstironie auslebt. Wie dieser Liebenswürdige sein "Mäuschen" umsorgt und sie verführerisch hineinzieht in die Glitzerwelt vertauschter Kostüme und Gefühle, behauptet eine staunenswerte Unschuld.

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