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Der Aufklärer. Tue Greenfort vor einer Gas-Aufsatzleuchte. In Berlin existieren 30000 Laternen dieses Typs.

© ddp

Berlinische Galerie: Lichter aufsetzen

„Erdglas“: Der dänische Künstler und Gasag-Preisträger Tue Greenfort in der Berlinischen Galerie.

Hat sich die Berlinische Galerie mit Tue Greenfort ein Kuckucksei ins Nest gesetzt, einen Künstler, der das Museum und seinen Sponsor auseinandernimmt, wo er doch gerade gefeiert wird? Oder hat sich der in Berlin lebende Däne gar selber korrumpiert, indem er als Gewinner des Gasag-Kunstpreises Gasrohre und einige Exemplare von Berlins geliebten Gaslaternen zeigt? Einfach wird es nicht, das wussten die Kuratoren schnell, als die Wahl auf den Umweltkünstler gefallen war, wie er gerne genannt wird. Müllberge, Grundwasserverseuchung und das Vordringen der Tiere des Waldes in die Stadt sind seine Themen. Seine Spezialität ist das ortsspezifische Arbeiten, die Einbeziehung der Historie – damit mussten nun auch die Berlinische Galerie und die Preisstifter rechnen.

Mit einem, der Ökologie als ein „Systemmodell für soziale, ökonomische und kulturelle Phänomene und Zusammenhänge“ versteht, lässt sich kaum eine glamouröse Selbstfeier veranstalten. Dass es hinter den Kulissen zu Reibereien gekommen sein muss, verrät die Textmarker-orangene Einladungskarte, auf der in großen Lettern der Kunstpreis mit dem Unternehmen im Namen zu lesen ist, Künstler und Institution hingegen sind deutlich kleiner geschrieben. Greenforts anspielungsreichen Ausstellungstitel „Erdglas – Natur und andere städtische Täuschungen“ hat man sich geschenkt, wie er auch in den weiteren Ankündigungen fehlt. Kein leichtes Spiel für alle Beteiligten. Selbst für das Publikum ist „Erdglas“ kein Spaziergang.

Dabei fängt es heimelig an. Den für die Preisträger-Ausstellung reservierten Eingangssaal – wegen seiner Höhe und Länge wird er in Anlehnung an die Londoner Tate Modern selbstironisch „Turbine Hall“ genannt – erleuchten Gaslaternen, als wäre es ein Straßenbild von Alt-Berlin. Zwei historische Exemplare sind im Halbdunkel aufgestellt, allerdings mit Energiespar-Lampen ausgestattet. Der Künstler hat sich die Firmengeschichte der Gasag vorgeknöpft, erinnert an die Anfänge als Beleuchtungsunternehmen Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich die Stadt wandelte. Die Metropolen wurden sich ihres Stadtraums bewusst, der Flaneur, die Figur des Künstlers als Bohémien, die Helden des Nachtlebens tauchten auf. Diese Verbindung wird nicht explizit genannt, auch nicht die kritische Auseinandersetzung Greenforts mit dem Design der Laternen, das, wie er meint, in einigen Details von 1941 stamme und ein vom Bauhaus beeinflusstes Nazi-Erbe sei. Nur im Gespräch mit dem Künstler ist zu erfahren, dass er damit zugleich auf die neue Liebe zum Retro-Look im Stadtraum hinweisen will, eine nostalgisch-konservative Neigung, die gleich zur nächsten Problematik führt: Was ist privater, was öffentlicher Raum? Welche Rechte besitzt der Bürger?

Greenfort will zu viele Lichter auf einmal aufstecken, indem er auch noch die Geschichte der Berlinischen Galerie streift. Das Museum befindet sich in einem ehemaligen Glaslager, deshalb hat Greenfort so wie einst Glasscheiben quer in der Halle aufgestellt. An einer Scheibe kleben Boulevardzeitungen mit Berichten über Knut, den Bären, der schon vor seinem Aufstieg zum Liebling der Berliner als Werbeträger der Gasag diente, denn das Unternehmen sponsert die Berliner Eishockeymannschaft. Auch darauf spielt Greenfort an: dass ausgerechnet der Polarbär zum Maskottchen eines Energiekonzerns avanciert, während sein Lebensraum am Nordpol mit Ölbohrungen bedroht wird.

Bei Greenfort hat alles mit allem zu tun. Darunter leidet der Ausstellungsparcours, der auf den ersten Blick so glasklar und hell erleuchtet scheint. In der „Ökologie der Verstrickungen“, die der Documenta-Teilnehmer offenlegen will, hat er sich selbst verheddert. Greenfort will unangenehme Wahrheiten ans Licht befördern und präsentiert am Ende doch nur eine unübersichtliche Vielfalt an Anspielungen. Der 39-Jährige geht hart mit dem Museum ins Gericht: dass es Teil einer Eventkultur geworden sei, indem es einem Unternehmen ein Forum bietet, das Preise für junge Künstler vergibt und damit für sich selber wirbt. Den Künstlern wiederum attestiert er, dass sie heute eher Manager ihrer selbst sind und Serviceleistungen anbieten. All das sagt er mit einer Liebenswürdigkeit und charmantem dänischen Akzent, dass man die Schärfe seiner Kritik leicht überhört.

Als Künstler arbeitet Greenfort eher dezent. Auch wenn er auf der ersten Glasscheibe, die sich dem Besucher entgegenstellt, im wild geschwungenen Schriftbild der Sprayer die Frage formuliert: „Wo bleibt der Verbraucher?“ Greenforts Botschaft fordert heraus, sein Werk allerdings verklausuliert sie wieder.

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124-128, bis 8. 4.; Mi-Mo 10-18 Uhr. Katalog (Kerber Verlag) 30 €.

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