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Eingangsbereich der Berlinischen Galerie

© picture alliance / dpa

Berlinische Galerie: Wir schließen jetzt

Diesmal ist es die Sprinkleranlage: Mit der Berlinischen Galerie muss neben der Neuen Nationalgalerie und der Sammlung Berggruen ein weiteres Museum der Moderne saniert werden.

Die Situation wirkt bizarr. Da wandeln neben dem üblichen Aufsichtspersonal auch noch Feuerwehrleute durch die Hallen der Berlinischen Galerie. Gehören sie zu Markus Drapers gigantischer Skulptur „Windsor Tower“ etwa dazu, dem fünf Meter großen Modell eines 2005 mitten in Madrid abgebrannten Skyscrapers? Nicht ganz. Das Landesmuseum für Moderne hat seine eigenen Probleme mit dem Feuerschutz. Die Sprinkleranlage ist defekt. Bei der letzten technischen Überprüfung im Sommer 2013 stellte sich heraus, dass die Leitungen marode sind. Nun muss die komplette Anlage nur zehn Jahre nach Eröffnung des Museums in den Räumen eines ehemaligen Glaslagers sowohl im Ausstellungsbereich als auch in den Depots erneuert werden. Bei der Gelegenheit werden auch die Lautsprecherkabel mit ausgetauscht.

Bis zum Sommer kann der Betrieb noch weitergehen, unter dem wachsamen Auge der Feuerwehr. Danach wird zwecks Sanierung dichtgemacht – voraussichtlich für ein halbes Jahr. Zur Zeit werden die einzelnen Schritte mit der Berliner Immobilienmanagement GmbH, einem Dienstleister des Senats, kalkuliert; offiziell bekannt gegeben ist die bevorstehende Schließung noch nicht. Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob die Reparaturen bei laufendem Betrieb gemacht werden könnten, doch das wäre für die Bilder zu riskant gewesen: aufgerissene Decken, Staubbildung, die Restauratoren dürften die Bremse gezogen haben. Nun zeichnet sich zumindest eine „In-HouseLösung“ ab. Die Kunst braucht für die Zeit der Bauarbeiten nicht außer Haus geschafft, sondern kann intern gelagert werden: entweder im eigenen Depot oder im Ausstellungsbereich, je nachdem wo gerade gebohrt wird.

Sechs Monate vor der Neuen Nationalgalerie verschwindet damit eine weitere Sammlung des 20. Jahrhunderts von der Bildfläche in Berlin, wenn auch nicht ganz so lang wie die im Mies-van-der-Rohe-Bau, die voraussichtlich fünf Jahre dem Publikum entzogen bleibt. Eine Epoche vom Pech verfolgt? Auch das Museum Berggruen musste im vergangenen Jahr seinen gerade erst eröffneten Annex gleich wieder schließen, da sich durch die neue Klimaanlage unter dem Dach Wasserlachen gebildet hatten. In der Stadt, von der die Kunst des 20. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm, Expressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit zur Blüte kamen, hat es ausgerechnet die Moderne schwer. Besucher, die eigens für Kirchner & Co. anreisen, stehen bald überall vor verschlossenen Türen. Das Bild von der ewigen Baustelle Berlin mit Flughafen und Staatsoper als größten Gruben erfährt nun mit der Berlinischen Galerie seine unselige Ergänzung.

Das Trauma einer jahrelangen Schließung dürfte sich trotzdem nicht wiederholen

Für Direktor Thomas Köhler ist das bitter, hatte er doch nach der erfolgreichen „Wien–Berlin“-Ausstellung und nun der Dorothy-Iannone-Retrospektive einen guten Lauf. Das Trauma vom Verschwinden auf Jahre, wie es die Berlinische Galerie nach dem Auszug aus dem Martin-Gropius-Bau erlebte, dürfte sich trotzdem nicht wiederholen. Köhler macht sich Hoffnung, pünktlich zum Museumsjubiläum – im nächsten Jahr wird die Berlinische Galerie vierzig Jahre alt – wieder eröffnen zu können. Die große Schau zur Architektur der sechziger Jahre, die Beckmann-Ausstellung wurden nur verschoben. Umso mehr passt die aktuelle Präsentation von Markus Draper, der ausgekohlte „Windsor Tower“, zur betrüblichen Gesamtsituation. Sie ist ein Menetekel für ruinöse Architektur.

Für das Thema Bauen und Scheitern, Architektur und Psyche ist der Berliner Künstler ausgewiesener Spezialist. So rekonstruierte er bereits als Modell das „House of Darkness“ im englischen Gloucester, in dem ein Paar Kinder folterte, und das Hochhaus von Gladbeck, in dem 1988 die dramatische Geiselnahme und anschließende Verfolgung durch Polizei und Medien kreuz und quer durch Nordrhein-Westfalen begann. Der aus Görlitz stammende Architektensohn interessiert sich weniger für den Horror als die mentalen Komponenten von Gebäuden. Sein „Windsor Tower“ erinnert an den „Turmbau zu Babel“. Wie auf dem Wiener Bruegel-Bild stand auch in Madrid obenauf ein Kran: Errichten und Zusammenstürzen gehen seit jeher Hand in Hand.

Ausgekohlt. Markus Drapers „Windsor Tower“ ist ein Menetekel maroder Architektur.
Ausgekohlt. Markus Drapers „Windsor Tower“ ist ein Menetekel maroder Architektur.

© Jens Ziehe

In Spanien passierte das Drama während der Erneuerung der Glasfassade. Anders als beim World Trade Center in New York blieb bei dem 105 Meter hohen Betonbau die Konstruktion stabil; nur im oberen Segment stürzten Teile des ein Vierteljahrhundert zuvor erbauten Büroturms in sich zusammen. Nach 24 Stunden war das Feuer gelöscht. Zurück blieb eine schwarze Nadel mitten in der Stadt, die nachträglich wie ein erhobener Zeigefinger, ein mahnender Hinweis auf die kommenden Turbulenzen des Finanzmarktes erschien. Draper bedient sich eines Tricks, um das Gefühl von Bedrohlichkkeit auch beim Modell zu evozieren. Die vollkommene Schwärze der Installation gemahnt an das verheerende Feuer von einst, die leichte Schrägstellung des verkleinerten Kolosses durch einen untergeschobenen Keil aber erzeugt erneuten Schwindel.

Steht der Trumm wirklich sicher, fragt sich womöglich mancher Besucher bang? Ganz bestimmt, die Skulptur bleibt sogar dauerhaft bei der Berlinischen Galerie. Sie ist das Geschenk eines Dresdner Sammlers ans Museum, der seine Gabe allerdings an eine Bedingung knüpfte: Das Haus möge selbst weitere Werke hinzuerwerben. Das gelang mit Mitteln der Künstlerförderung. Zusammen mit einer Schenkung des 44-Jährigen ist nun eine bemerkenswerte Ausstellung zustande gekommen, die auch dessen andere Betätigungsfelder vorführt: Malerei, Collage, Video. Der Film „Feldforschung“ entstand aus den Kartonresten, die beim Modellbau für den „Windsor Tower“ angefallen waren. Draper schiebt sie zusammen, betätigt Gebläse, lässt Nebeldämpfe wabern. Hier stellt sich die Assoziation zu Caspar David Friedrichs Gemälde „Eismeer“ unwillkürlich ein. Doch das ist wieder eine andere Geschichte des Scheiterns.

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124–128, bis 30. 6.; Mi bis Mo 10–18 Uhr.

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