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Ein Bild aus besseren Tagen: Volle Besetzung im Boulez Saal

© picture alliance / Klaus-Dietmar

Berlins Kulturszene und Corona: Keine Experimente!

Das Bezirksamt Mitte stoppt den Alleingang im Boulez Saal – und die Deutsche Oper bangt um ihre „Walküre“-Premiere.

In allerletzter Sekunde hat das Bezirksamt Mitte am Dienstag einen Alleingang des Pierre Boulez Saals bei der Sitzplatzverteilung in einem geschlossenen Veranstaltungsraum verhindert. Intendant Ole Baekhoej hatte beschlossen, das Schachbrettprinzip der Salzburger Festspiele für sein Haus zu übernehmen, obwohl dabei das in Berlin geltende Abstandsgebot von 1,5 Meter zwischen den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht eingehalten werden kann. Durch den Abstand von lediglich einem Meter Abstand in alle Richtungen rund um jeden Sitzplatz ließen sich in Salzburg deutlich mehr Menschen im Zuschauerraum unterbringen, als das nach den Regeln der Kulturverwaltung möglich ist.

Doch in Berlin gilt: Vor dem Hygienerahmenkonzept sind alle gleich. Auch jene Institutionen, die nicht direkt vom Senat subventioniert werden. Auf diese Tatsache hatte sich der Boulez Saal bei der Erarbeitung seines individuellen Hygienekonzepts berufen.

Seit dem 25. August lag dieses Konzept dem zuständigen Gesundheitsamt Mitte vor, doch erst am Dienstag, wenige Stunden vor dem Saisoneröffnungskonzert, reagierte dann Bezirksstadtrat Ephraim Gothe darauf. Er sprach kein Verbot der Veranstaltung aus, wandte sich aber mit der dringenden Bitte an den Intendanten, das 1,5-Meter-Gebot zu respektieren. Zugleich bot Gothe an, zeitnah in Gespräche über die offenen Fragen einzusteigen.

Spontan wird doppelt musiziert

Daraufhin entschlossen sich Ole Baekhoej und Daniel Barenboim, der das Programm mit dem Boulez Ensemble einstudiert hatte, am Abend spontan einen zweite Aufführung anzubieten, damit alle Gäste, die bereits Tickets erworben hatten, in den Genuss des Konzertes kommen konnten. Da aufgrund der Corona-Regeln sämtliche Kartenkäufer im Vorfeld ihre Adressdaten hinterlegen müssen, war die Kontaktaufnahme leicht – und die Angesprochenen reagierten auch weitgehend mit Verständnis, wie Martin Andris, der Pressesprecher des Boulez Saals, dem Tagesspiegel bestätigte.

Die nächste Veranstaltung im Boulez Saal ist erst am 11. September geplant, bis dahin wollen Bezirksamt und Veranstalter versuchen, eine Lösung zu finden. Letztlich aber hängt alles davon ab, wann der Kultursenator sein Hygienerahmenkonzept überarbeiten wird und ob dann weitere Lockerungen zugelassen werden. Doch Klaus Lederer ist auch deshalb so zögerlich in Sachen Platzauslastung, weil er verhindern will, dass die gesamte hauptstädtische Kulturszene durch einen gravierenden Infektionsvorfall bei einem Alleingänger schachmatt gesetzt wird.

Was wird aus der "Walküre" an der Deutschen Oper?

Unklarheit herrscht aktuell auch noch an der Deutschen Oper: Dort laufen zwar bereits die Proben zu Richard Wagners „Walküre“, doch den Vorverkauf für die mit Spannung erwartete Produktion konnte das Haus noch nicht starten. Man sei mit allen zuständigen Stellen in einem Klärungsprozess, sagte Pressesprecherin Kirsten Hehmeyer auf Tagesspiegel-Anfrage. Dietmar Schwarz, der Intendant der Deutschen Oper, wird alles versuchen, um die für den 27. September geplante Premiere über die Bühne zu bringen. Denn er will sein „Ring des Nibelungen“-Großprojekt retten. Der erste Teil der Tetralogie war im Juni bereits von der Coronakrise vereitelt worden, das „Rheingold“ konnte nur in einer Notvariante auf dem Parkdeck des Opernhauses stattfinden.

Im Probenprozess wird täglich getestet

Stefan Herheim, der Regisseur des neuen Berliner „Rings“, berichtete jetzt im Bayerischen Rundfunk: „Wir gurgeln nach dem Aufstehen und spucken in ein Glas. Das wird dann von einem Boten abgeholt und ins Labor gebracht. Und am Nachmittag wissen wir, ob die Probe stattfinden kann.“ Mit anderen Worten: Damit die Künstlerinnen und Künstler weder Masken- noch Abstandspflichten beachten müssen, werden alle Beteiligten täglich auf Covid-19 getestet. Die Kosten dafür übernimmt ein privater Sponsor. Zur Premiere soll nach dem Wunsch der Deutschen Oper ein achtzigköpfiges Orchester im Graben spielen, so wie es Wagners Partitur vorsieht.

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