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Seltener Gast. Reichskanzler Adolf Hitler (2.v.l.) besuchte die Museumsinsel während der NS-Zeit nur ein Mal - bei der Eröffnung der Ausstellung „Altjapanische Kunst“ im Pergamonmuseum am 1. März 1939.

© bpk / Zentralarchiv, SMB

Berlins Staatliche Museen in der NS-Zeit: Ein bisschen Rückzug

Hitler besuchte die Museumsinsel lediglich ein Mal während der braunen Jahre, Goebbels' Begehrlichkeiten wies man erfolgreich zurück: Trotzdem wurden die Staatlichen Museen nach 1933 ein wichtiger Teil des NS-Kulturbetriebs. Ein Sammelband beleuchtet nun Anpassung und Widerwillen.

Die Vergangenheit ist nicht vergangen. Sie lässt sich nur verdrängen, bisweilen jahrzehntelang, der spektakuläre Münchner Kunstfreund ruft es ins Bewusstsein. Auch die Staatlichen Museen zu Berlin haben sich lange nicht mit ihrer Vergangenheit unter dem NS-Regime beschäftigen mögen. Sie hatten sich, so die hausinterne Meinung, nicht ernstlich kompromittiert.

Viel große Politik sahen die Berliner Museen in den braunen Jahren tatsächlich nicht. Adolf Hitler besuchte die Berliner Museumsinsel lediglich am 1. März 1939, aus Anlass der Ausstellung „Altjapanische Kunst“ im Pergamonmuseum. Japan war schließlich Verbündeter im „Antikominternpakt“ von 1936.

Es fiel den Staatlichen Museen leicht, sich nach dem Ende des NS-Regimes als dessen Opfer zu stilisieren. Umso mehr, als die Teilung der Bestände zwischen den verfeindeten Verbündeten der Kriegskoalition und der Abtransport großer Teile der Sammlungen als „Trophäenkunst“ durch die Rote Armee den Blick ganz auf die Gegenwart ab 1945 lenkten.

Die Geschichte der Museen während der NS-Zeit

Doch nun richtet sich die museumsinterne Forschung auch auf die Zeit des Nationalsozialismus. Der soeben vorgelegte Sammelband unter dem Titel „Zwischen Politik und Kunst“ ist ein deutliches Zeichen. 23 Aufsätze beleuchten Museen, Personen und Schicksale. Dass dabei das schwärzeste Kapitel am Anfang steht, der „Umgang mit Bürgern jüdischer Abkunft 1933 – 1939“, unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der das Zentralarchiv der Staatlichen Museen als Herausgeber des Sammelbandes und für diesen Beitrag Archivleiter Jörn Grabowski den lange gescheuten Blick in den Abgrund des „Dritten Reiches“ richten. Bereits das perfide „Gesetz zur Wiedererstellung des Berufsbeamtentums“ vom April 1933 bot die Handhabe, jüdische Museumsleute zu entlassen, darunter der hoch angesehene Direktor der Gemäldegalerie, Max. J. Friedländer. Es traf zugleich missliebige Nichtjuden wie den Generaldirektor der Museen, Wilhelm Waetzoldt.

Denn natürlich waren die Museen keine Insel der Seligen. Immerhin gelang es ihrem neuen Generaldirektor ab 1934, dem durchaus überzeugten Nazi Otto Kümmel, die politischen Begehrlichkeiten von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels zurückzuweisen und die Museen in der rechtlichen Zuständigkeit des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu halten. Dieser politische Schachzug, der die ungeregelte Machtkonkurrenz innerhalb des Regimes beleuchtet, verschaffte den Museen eine vergleichsweise ungestörte Existenz. Sie betrachteten sich weiterhin als „wissenschaftliche Einrichtung“ und konnten sich aus den propagandistischen Aktivitäten des Regimes, insbesondere von Goebbels mit seiner „Reichskulturkammer“, mehr oder minder heraushalten. Hinzu kam, dass die Museen nie einheitlich agierten.

Die einzelnen Museumsdirektoren wachten eifersüchtig über ihre Autonomie. „Sie begriffen ihre jeweilige Sammlung als wissenschaftliche Einrichtung und nicht als bildungspolitische Institution oder gar als ,volkstümlich‘“, urteilt Tilmann Wesolowski nach Auswertung der recht wenigen Publikationen der Museen.

Die Aktion "Entartete Kunst" findet keine Erwähnung.

So konnten sie sich, sogar die der Gegenwartskunst gewidmete Nationalgalerie, der aktuellen, NS-konformen Kunstproduktion verschließen. Dass die Moderne Abteilung der Nationalgalerie durch die Aktion „Entartete Kunst“ regelrecht geplündert wurde, ist ausführlich publiziert und findet im vorliegenden Sammelband keine weitere Erwähnung. Stattdessen rückt die historisch ausgerichtete Ausstellung „1813 bis 1815. Großdeutschlands Freiheitskampf“, für die die wegen des Krieges bereits geschlossene Nationalgalerie 1940 ein letztes Mal geöffnet wurde, ebenso in den Blick wie die deutsche Beteiligung an den Biennalen von Venedig 1934 und 1936, die der – 1934 vom Regime berufene und 1937 gefeuerte – Nationalgalerie-Direktor Eberhard Hanfstaengl betreute. Bekanntlich traf Hitler beim Besuch der Biennale 1934 erstmals mit dem italienischen „Duce“ Mussolini zusammen. Hanfstaengls Auswahl entsprach mitnichten den Forderungen der Nazis, wie Jan May herausstellt, sondern repräsentierte den gemäßigten Akademismus, der bruchlos aus der Zeit der Weimarer Republik herüberreichte. „Durch all diese Verschiedenheiten fließt dennoch stets der Strom des gemeinsamen deutschen Bewusstseins“, schrieb Hanfstaengl wolkig im Katalog von 1936. Hanfstaengls Karriere endete abrupt 1937, als er sich der Mitarbeit an der Aktion „Entartete Kunst“ verweigerte.

Es entsteht der Eindruck, als seien die Museen nahezu unbefleckt

Mehr als ein allgemeines Bekenntnis zum NS-System ließen sich die Berliner Museen insgesamt nicht entlocken. Es kam sogar zu Konfrontationen mit überzeugten Nazis wie dem Karrieristen Walter Hansen, der vom Kulturministerium an die Staatlichen Museen beordert wurde, um ein „Kunstpolitisches Archiv Entarteter Kunst“ zusammenzustellen.

Andererseits machten sich Museumsleute der NS-Politik dienstbar, bis hin zu Vorschlägen zum Raub jüdischen Kunstbesitzes. Diese Anpassung, ja freudige Bereitschaft, die Nazi-Politik am eigenen Arbeitsplatz vorbehaltlos zu unterstützen, hätte in einem Überblicksbeitrag dargestellt und beurteilt werden müssen. Stattdessen vermittelt der Sammelband den Eindruck, als seien die Staatlichen Museen nahezu unbefleckt durch den Nazi-Schlamassel gekommen.

Auch fehlt ein eigenständiger Beitrag zu den Neubauplanungen der Nazizeit. Drei riesige Museumsbauten wurden ab 1937 im Rahmen der radikalen Umplanung Berlins durch den „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“, den späteren Rüstungsminister Albert Speer, vorgesehen. Keiner der Entwürfe des konservativen Architekten Wilhelm Kreis kam allerdings über Planzeichnungen hinaus. Für die Mitarbeiter des Ägyptischen und des Vorderasiatischen Museums bedeutete die Abfassung von Raumprogrammen erst einmal den Aufschub der drohenden Einberufung zur Wehrmacht. Gleichwohl überrascht die Ernsthaftigkeit, mit der die Museumsleute die megalomanen Planungen unterstützten und mit Ideen vorantrieben. Sie wurden 1942 abgebrochen, als die Bestände der Museen längst wegen der zunehmenden alliierten Luftangriffe zunächst in Kellern gesichert und später ganz aus Berlin verlagert werden mussten.

Otto Kümmel, der renommierte Fachmann für Ostasien und willfährige Generaldirektor der Nazizeit, erlebte 1945 noch den Abtransport der von ihm über Jahrzehnte aufgebauten Sammlung ostasiatischer Kunst durch die Rote Armee. Sie lagert bis heute in Russland.

Jörn Grabowski/Petra Winter (Hg.): Zwischen Politik und Kunst. Die Staatlichen Museen in der Zeit des Nationalsozialismus. Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2013, 494 S., 49,90 €.

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