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Kultur: Berlioz im Herzen, Mahler im Auge

KLASSIK-CD

Unter den großen Komponisten hat Hector Berlioz den denkbar undankbarsten Platz: Seine Bedeutung ist zwar unbestritten, doch die Zahl der Dirigenten, die seine Werke wirklich lieben, ist seit jeher überschaubar. Eliahu Inbal ist einer dieser wenigen: Als Chef des Berliner Sinfonie-Orchester s sorgt er dafür, dass das Berlioz-Jahr 2003 im Konzertsaal auch wirklich stattfindet, und mit seinem Frankfurter Radio-Sinfonieorchesters spielte er Ende schon der Achtzigerjahre einen hoch gelobten Zyklus der wichtigsten chorsinfonischen Werke für die japanische Denon ein. Zum 200. Geburtstag Berlioz’ sind diese Aufnahmen jetzt in einer Lizenzproduktion des Billig-Labels Brillant Classics wieder auf den Markt gekommen. Die „Berlioz Edition“ mit elf CDs enthält neben der „Sinfonie fantastique“, dem „Harold in Italien“ und dem „Te Deum“ all jene Werke, mit denen Berlioz vor über 150 Jahren die Grenzen zwischen Oper, Sinfonie und Oratorium zu sprengen versuchte: „La Damnation de Faust“, „Roméo et Juliette“, „L’enfance du Christ“ und das „Requiem“. Die technisch brillanten, fast durchweg hervorragend besetzte Aufnahmen sind immer noch gültig: Im Gegensatz zu John Eliot Gardiner und interessiert sich Inbal nicht für die „originale“ Klangkoloristik und gibt auch der opernhaften Theatralik eines Colin Davis nur wenig Raum. Statt pastoser Tonbilder dominiert ein transparenter, gestochen scharfer Klang, in dem sich auch die Chor und Solostimmen der übergeordneten Formdisposition unterordnen. Die sinfonische Struktur tritt bei Inbal so deutlich zu Tage wie möglich. Von Berlioz aus, macht er deutlich, führt der Weg nicht zu Wagner, sondern direkt zu den Sinfonien Mahlers.

Jörg Königsdorf

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