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Bernard Haitink: Der Reifeprüfer

Bernard Haitink, einer der am meisten verehrten Dirigenten weltweit, feiert seinen 80. Geburtstag. 150 Mal dirigierte der Amsterdamer die Berlienr Philharmoniker.

Als Simon Rattle zu seinem Amtsantritt bei den Berliner Philharmonikern die Dirigenten benannte, die er gerne in der Philharmonie begrüßt, fiel sein Name zuerst: Bernard Haitink. 150 Mal hat der Amsterdamer die Berliner seit 1964 inzwischen dirigiert. Rattle schätzt Haitink als einen Musiker, der großzügig seinen enormen Wissensschatz mit dem Orchester teilt, als einen Kollegen, keinen unnahbaren Maestro. Eine treffendere Würdigung Haitinks, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, lässt sich schwer denken.

Zu Beginn seiner Karriere ist es ein großes Orchester, das den jungen Haitink zu seinem Dirigenten macht – und nicht umgekehrt. Mit 27 Jahren dirigiert er zum ersten Mal den bedeutendsten Klangkörper seines Heimatlandes, das Amsterdamer Concertgebouworkest. Er wird wieder eingeladen, übernimmt mit Eugen Jochum die Leitung des Traditionsorchesters. 1963 wird er alleiniger Chef. Sein früher Einstieg in die musikalische Spitzenklasse bereitet Haitink noch heute mitunter schlaflose Nächte: Weder fachlich noch menschlich sei er damals reif gewesen für diese Herausforderung. In der Folge gönnt sich Haitink ausführlich Zeit zum Reifen. 25 Jahre bleibt er Musikchef in Amsterdam, und es ist der Klang Concertgebouws und seines Orchesters, die sein künstlerisches Ideal prägen: transparent musizieren, aber mit Wärme und biegsamem Bassfundament. Beinahe gegen seinen Willen erobert sich Haitink sein erstes Repertoire, das ihn berühmt machen wird: Auf Wunsch des Orchesters knüpft er an die Mahler-Tradition an, die das Concertgebouworkest bis in die Dreißiger berühmt machte. Sein Mahler-Zyklus wird einer der großen Schallplattenerfolge der sechziger Jahre. Haitink erklimmt das Zentralmassiv der Bruckner-Symphonien und löst mit seinen Aufnahmen auch eine Renaissance Schostakowitschs aus.

Mozart lockt Haitink in die Oper. Er wird Chef des Glyndebourne Festivals und von Covent Garden. Sein Kampf für das Orchester während der Sanierung des Opernhauses fordert Tribut. Haitink erleidet einen Herzinfarkt. „Er ist kein geborenes Theatertier“, beschreibt Thomas Allen, einer der wichtigsten Sänger in Haitinks Londoner Zeit, seinen Musikchef. Aber unterschwellig begleite ein feuriges Temperament alles, was Haitink dirigiere. Davon profitiert gerade auch das Chicago Symphony Orchestra, wo Haitink die Lücke zwischen Barenboim und Muti schließt. Vier Jahre Glanz.

In seinem Herzen ist Haitink, einer der am meisten verehrten Dirigenten weltweit, bescheiden geblieben. „Ehrlich gesagt, ich kann mir meinen Erfolg auch nicht erklären. Ich sag nicht viel, doziere nicht, kann keine Monologe halten. Oft denke ich: Die haben nicht viel von mir“, bekennt er. Von nicht enden wollendem Applaus nach einer Mahler-Symphonie in der Philharmonie alleine aufs Podium geholt, greift Bernard Haitink gerührt nach der Dirigentenpartitur. Dankbarkeit für eine lebenslange Liebe. Ulrich Amling

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