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Ein Bayer in Berlin: Berni Mayer.

© Mike Wolff

Berni Mayer, ein Bayer in Berlin: Ironie ist keine Haltung

Berni Mayer bloggt über Fußball, macht Musik und schreibt Krimis. Der dritte ist kürzlich erschienen. Ein Treffen mit einem Berliner Bayern.

Er möchte schon lieber als bayerischer Grantler durchgehen denn als ein Hipster aus Mitte, der Berni Mayer. Ist ja als Charakterzeichnung auch viel ergiebiger. Sein Look weist ihn schon mal als Kreuzung beider Spezies aus: Feder am Hütchen, grau melierter Vollbart, dicke Gürtelschnalle, Tattoo, Velourlederschuhe. Er hat was Angesagtes und was Rustikales, der Berni Mayer. Und dass man ihn lieber mit Artikel vor dem Namen nennt, hat etwas mit einer bayerischen Marotte in seinen – sonst komplett dialektfreien – Büchern zu tun: da wird der Held namens Max Mandel durchgehend „der Mandel“ genannt. Vom Erzähler Sigi Singer nämlich, dem Zweit- oder eigentlichen Helden, wie man’s nimmt.

Das Café Bondi jedenfalls, unweit der Baustellenkrater am Nordbahnhof gelegen, ist das Kiezcafé von Berni Mayer. Eine typische Hipster-Mittagsstube mit australischem Wirt und prekärem Projektemacher-Publikum. Da ist Berni Mayer, der im August 40 wird, immer noch goldrichtig, obwohl er als abgedankter Großraumbürokreativer und nunmehr erklärter Heimarbeiter eigentlich nicht mehr dazugehört. Bevor Berni Mayer seine formal und inhaltlich eher traditionsbewusste Krimi-Trilogie kürzlich mit dem Roman „Der große Mandel“ abgeschlossen hat, war er nämlich mal Avantgarde. Damals Anfang der 2000er, in München, im Zeitalter „Laptop und Lederhosen“, als er Online-Chefredakteur bei den Musiksendern MTV und Viva war.

Der Mandel-Trilogie liegt ein skurriles Detektivduo zugrunde

Das sei schon Pionierarbeit gewesen, sagt Berni Mayer. So richtig idealistischer Musikjournalismus, freigeistig, mit ausführlichen Texten. Nur das viele Reden hat den Klempnerssohn aus Grafentraubach in Niederbayern sofort an der Medien- und Musikbranche gestört. Nicht, dass er nicht selbst ein eloquenter Plauderer wäre, aber wie man Musik wirklich beschreibt, ohne das übliche Musikwissenschaftler- oder Fan-Geschwafel, das hat er bis heute nicht kapiert. Und außerdem arbeitet er nun mal lieber allein. „Mit Menschen habe ich es nicht.“ Und wenn schon nicht allein, dann zu zweit mit seinem ebenfalls medienbekannten Freund Markus Kavka, mit dem er die Webshow „Kavka vs. The Web“ für Myspace produzierte.

Dort hat auch die Grundidee für seine Mandel-Trilogie – ein skurriles Detektivduo – ihren Ursprung als Videosketch. Daraus hat Berni Mayer dann das in Berlin ansässige Heldenpaar gestrickt: zwei von der Medienkrise gebeutelte Musikjournalisten, die arbeits- und hoffnungslos drauflos ermitteln. Erzähler Sigi ist ein mit Komplexen beladenener Onliner. Sein „Chef“ und Buddy Mandel ein abgehalfterter, aber naturcooler Print-Musikkritiker, dessen Opportunismus ihn zum Gspusi jedes Rockstars macht, die in den ersten beiden im Jahr 2012 erschienenen Krimis „Mandels Büro“ und „Black Mandel“ dann auch reichlich ins Gras beißen.

Dass Berni Mayers karikierende Branchendarstellung ein paar Bezüge zu seiner Biografie hat, liegt auf der Hand. Er war zwar nie Mitglied der in „Black Mandel“ pittoresk geschilderten, norwegischen Metal-Szene, hat aber mal bei einem Plattenlabel gearbeitet und ist Sänger und Gitarrist der Heavy-Metal-Band The Gebruder Grim und dem Black Mandel Orchester. Letzteres ist quasi die Folk-Band zum Buch, die auch bei seinen Lesungen auftritt. Beim Thema Wrestling, das er jetzt in „Der große Mandel“ beackert, muss Berni Mayer allerdings passen, was eigenes Erleben angeht. „Doppelter Bandscheibenvorfall am Ende meiner MTV-Zeit“.

Lakonie als erzählerischer Gestus

Immerhin hat er die Erfahrungen der Studentenzeit in Regensburg und überhaupt die behäbige Prägung in der bayerischen Provinz als lakonische Färbung einfließen lassen. Berni Mayer steht auf Lakonie als erzählerischem Gestus. Wortkarg aber warmherzig, so will er sein. Zum Erreichen dieses Ziels könnten es in jedem Buch noch ein paar Seiten weniger sein. „Ich mag die kalte Ironie nicht, die überall durchs Netz zieht. Das ist keine Kunst, dafür braucht’s nur etwas Bildung.“ Schick. Ein Ex-Netz-Avantgardist, der sagt, Ironie ist keine Haltung. Der sagt: „Ich verdanke dem Netz alles. Ohne das Netz wäre ich nichts.“ Der sagt: „Ich bin kein Vorne-mit-dabei-, ich bin ein Hintendran-Typ.“

Berni Mayer, ein bescheidener Bayer in Berlin.

Ein Bayer in Berlin: Berni Mayer.
Ein Bayer in Berlin: Berni Mayer.

© dpa

Hintendran, aber fix dabei ist er als Fußball-Blogger auf seiner Seite burnster.de. Seit vier Jahren macht er das schon, fünf hat er sich als persönliche Disziplinarmaßnahme, quasi als Selbstversuch zur Streckung seines generationsbedingt zu kurz geratenen Atems gesetzt. Ihm fehlten in der deutschen Sport-Berichterstattung der Witz, die Emotionen, die Gesellschaftsanalyse, wie man sie aus amerikanischen Sport-Blogs kennt. Deswegen bloggt er, selbstverständlich auch zur WM. Obwohl das bei den Spätspielen hart an seine Grenzen ging. Bis vier in der Bar sitzen sei kein Problem, „aber um Mitternacht auf der Couch fernsehen, das geht schief“. Der Mann ist entschuldigt: Er ist Familienvater.

Zur Neuerfindung nach Berlin

Was den Bayern nach Berlin gebracht hat? „Der Zufall.“ Er kannte die Stadt, seine Schwester hat hier gewohnt. „Ich wollte mich meiner Saturiertheit entledigen.“ Und zum Neuerfinden als Autor schien ihm mit 29 Berlin dann doch geeigneter als das blasiertere München zu sein. „Eine Großstadt wie Berlin treibt die Ignoranz aus.“ Inzwischen kann er sich wieder vorstellen, vielleicht nach Bayern zurückzugehen. Zwanghaftes Zäsurensetzen sei ja eh das Problem seiner Generation: Immer müsse was Neues kommen. Ein neues Format, eine neue Stadt, Frau, Kind, die nächste Stadt, das nächste Projekt. Berni Mayer seufzt, als sollte endlich mal nichts kommen müssen. Einfach alles so bleiben. Und er ein altmodischer Bücherschreiber. Deswegen sitzt er stur am nächsten, noch unverkauften Roman. Es wird kein Krimi und er hat ein deutlich weniger popkulturell auswertbares Thema als die Trilogie: dörfliche Tristesse und katholische Repressalien – Provinzprägung halt.

Bayern können auch Bescheidenheit

Auch wenn Berni Mayer – so wie heute Abend für lau im Ramones-Museum – regelmäßig mit Band auftritt, als Musiker bezeichnet er sich nicht. „Ich habe nicht verdient, mich so zu nennen, dazu habe ich mir früher beim Üben nicht genug Mühe gegeben.“ Ach was, Bayern können auch Bescheidenheit und nicht nur Mir-san- mir. Jetzt will er das Musikmachen jedoch so konsequent durchziehen wie das Schreiben in der langen Form. Egal, ob es Leser oder Zuhörer bringt. Und nicht nur dabeibleiben, sondern auch besser werden wollen ist ihm ein Wert geworden. Perfekt, nein, aber besser. Das Gitarrenriff sei die höchste Disziplin der Rockmusik, schwärmt er. „Eins wie das in ,The Trooper‘ von Iron Maiden mit der folgenden zweistimmigen Gitarrenlinie, das hat so eine Kraft!“ Das Skeptiker-Lächeln ist weggeblasen, die Augen glänzen. Schon ist es hin, das Grantler-Image des Berni Mayer.

Berni Mayer und das Black Mandel Orchester: 27.6., 20 Uhr, Ramones-Museum, Krausnickstraße. 23, Mitte. Die drei Mandel-Krimis sind bei Heyne Taschenbücher erschienen.

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