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Kultur: Beschränkung der Reisefreiheit

Wieder gibt es Forderungen aus Ägypten, die Büste der Nofretete auszuleihen – warum die Berliner Museen das nicht wollen

Erste Rückblende: Im November 2006 eröffneten Zahi Hawass, Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, und KlausDieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Ägyptischen Museum von Kairo die Ausstellung „Richard Lepsius. Die deutsche Expedition an den Nil“. Eine kleine, feine Kabinettausstellung, gefeiert als erster, verheißungsvoller Schritt in Richtung deutsch-ägyptische Zusammenarbeit. Das Thema Nofretete, in Vorgesprächen und unter der Hand immer mal wieder angetippt, kam bei der offiziellen Eröffnung nicht zur Sprache, auch nicht von Zahi Hawass.

Zweite Rückblende: Im Sommer 2005 zieht Nofretete aus ihrem Domizil in Berlin-Charlottenburg zurück auf die Museumsinsel, ins Alte Museum, wo sie gezeigt wird, bis ihr angestammtes Domizil, das Neue Museum, 2009 fertig saniert ist. Der Umzug wird groß gefeiert, der ägyptische Botschafter zitiert aus diesem Anlass Staatspräsident Mohammed Hosni Mubarak, der einmal gesagt hat, Nofretete sei die schönste Botschafterin Ägyptens in Deutschland. Auch damals keine offizielle Rückforderung seitens der ägyptischen Regierung, wie seit Jahrzehnten nicht.

Und doch sind solche Forderungen nie ganz verstummt. Jetzt macht eine Initiative „Nofretete geht auf Reisen“ von sich reden, die zumindest eine temporäre Leihgabe nach Kairo befürwortet. Getragen von dem Verein „Culture and Development“ mit Sitz in Hamburg geht es der Initiative darum, Forderungen aus Afrika, Asien und Südamerika in Europa Gehör zu verschaffen. Ein wichtiges Thema ist dabei die Restitution von Kulturgütern, die oft auf beiden Seiten zu Identifikationsobjekten geworden sind. Entsprechend emotional wird im Internetforum der Initiative auch über die Rückgabe der Nofretete-Büste diskutiert: Da ist von „Raub“, „Schamgefühl“ und „Großzügigkeit“, von katastrophalen Verhältnissen in den ägyptischen Museen und Misstrauen gegenüber Zusagen die Rede. Berlins Museen reagieren eher irritiert: Naiv und unkundig sei die Initiative, so Dietrich Wildung, Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin. Sie streue unnötig Sand ins gut laufende Getriebe deutsch-ägyptischer Zusammenarbeit. Und „Wir haben nichts zu verbergen“, so der Museumsmann.

Klar ist allerdings auch: Die Aussage, eine Ausleihe sei aus konservatorischen Gründen nicht möglich, mit der sich Museumsvertreter wie auch der als Vermittler angerufene Kulturstaatsminister Bernd Neumann des Ansinnens zu entledigen versuchten, nennt nur ein, wenn auch ernst zu nehmendes Motiv für die Ausreise-Verweigerung. Denn es ist in der Tat zu befürchten, dass Nofretete, so sie erst einmal in Ägypten ist, nur noch mit Schwierigkeiten wieder nach Deutschland zurückzubekommen sein dürfte. Auch wenn sich die Schöne nach der vertraglich festgehaltenen Fundteilung von 1913 juristisch gesehen rechtmäßig in Deutschland aufhält – moralisch lässt sich bei Rückgabebegehren immer argumentieren. Auch in anderen Fällen wie dem Pergamonaltar und den im Londoner British Museum verwahrten „Elgin Marbles“ aus dem Parthenon-Fries der Athener Akropolis gibt es entsprechende Rückgabeforderungen aus den Herkunftsländern. Im Fall der – juristisch eindeutig unrechtmäßig in Russland lagernden – Beutekunst darf die derzeit im Moskauer Puschkin-Museum gezeigte Merowinger-Ausstellung nicht nach Deutschland reisen – man befürchtet eine Beschlagnahmung durch die deutschen Behörden.

Wenn Zahi Hawass nun vor dem ägyptischen Parlament mit einem Leihgabenboykott droht, ist das mehr als nur Säbelgerassel. Auch wenn die großen Ausstellungen wie Franck Goddios zunächst im Gropius-Bau und derzeit in der Bundeskunsthalle Bonn gezeigte Unterwasserfunde aus dem Hafenbecken von Alexandria von Privatleuten finanziert wurden und die Berliner Museen wegen der hohen Leihkosten ohnehin seit Jahren nicht mehr mit ägyptischen Leihgaben arbeiten, sind beide Seiten an Kooperation interessiert. Dietrich Wildung träumt sogar von einem „Museum der europäischen Kunst“ in Ägypten. Und: Für die im Lande arbeitenden deutschen Archäologen gestaltet sich die Grabungsarbeit angesichts der verhärteten Fronten zunehmend schwierig. Die Aussage von Hawass, man müsse „die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland neu überdenken“, ist in diesem Zusammenhang eine durchaus ernstzunehmende Drohung.

Vielleicht ist der Fall, was das öffentliche Klima angeht, doch mit den Verhandlungen über die Beutekunstbestände in Russland vergleichbar. Auch hier hatte Irina Antonowa, Leiterin des Moskauer Puschkin-Museums, jahrzehntelang jegliche Zugeständnisse eisern verweigert. Erst eine jüngere Generation von Museumsleuten hatte verstärkt auf Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen gedrungen und zuletzt den schönen Merowinger-Erfolg erreicht.

Auch in Ägypten gibt es mit Wafaa el Saadik, der Direktorin des Kairoer Museums, eine mit deutschen Verhältnissen bestens vertraute Museumschefin. Sie hat natürlich ebenfalls den Wunsch nach einer Nofretete-Leihgabe als Lebenstraum geäußert – aber in der Überarbeitung des sich in einem chaotischen Zustand befindenden Museums von Kairo derzeit ein größeres, drängenderes Ziel gefunden, für das sie internationale Unterstützung gut gebrauchen kann. Es wäre schön, wenn solche Zusammenarbeit unter Wissenschaftlern mehr zählen würde als die nationalistischen, drohenden Töne in der Politik. Es geht um mehr als Nofretete.

Christina Tilmann

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