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Kultur: Besser als ihr Ruf

Köln verkleinert sich und bleibt Umschlagplatz für klassische Moderne

In der Koje der Galerie Schwarzer sitzt der Maler Gotthard Graubner und schimpft. Über das Spotlight auf Max Liebermanns „Blumenstauden im Nutzgarten“ von 1924 (780 000 Euro). Über das Lichtbündel auf August Mackes „Lesendem Mädchen“ von 1912 (1 450 000 Euro). Und generell darüber, dass die Gemälde im Kunstlicht der Messehalle ein Abglanz ihrer wahren Strahlkraft sind.

Doch was will man machen, seufzt Galerist Klaus Schwarzer und zeigt auf die anderen Messestände. Rechts und links inszenieren sie ihre Bilder von Nolde, Jawlensky und Picasso ebenfalls in geschlossenen Kojen mit gedämpftem Licht, aus dem die Werke dank der Spotlights wie Juwelen blinken. Der Käufer klassischer Moderne gehört halt zur konservativen Klientel, und die wird auf der Art Cologne seit jeher im Obergeschoss mit hochwertiger Ware im Schmuckkarton versorgt. Dass der Farbmagier Graubner, der mit Stock und Spitzbart wie ein auferstandener Impressionist durch die Gänge spaziert, solche traditionellen Auftritte der Kunst bemängelt, wundert nicht.

Dabei wandelt sich Deutschlands älteste Kunstmesse gerade radikal. Auch wenn an den Ständen von Boisserée (Köln), Ludorff (Düsseldorf) oder der Galerie Henze & Ketterer (Bern), die mit einem Kirchner-Bild für 5,5 Millionen Euro zugleich das teuerste Werk ausstellt, alles beim Alten geblieben scheint. Doch um diese Schwergewichte des Kunsthandels hat es sich merklich gelichtet, weil die Teilnehmer von 300 auf knapp die Hälfte reduziert worden sind. Das sorgt für angenehme Übersichtlichkeit: Die Art Cologne ist feiner geworden, weil sich das qualitative Nadelöhr der Zulassung verengt hat.

Das war höchste Zeit, denn in den vergangenen Wochen fiel die Messe vor allem negativ auf. Erst wurde Messe-Chef Gérard Goodrow von rebellierenden Galerien aus dem Amt geputscht. Zu viele falsche Entscheidungen, hieß der Vorwurf. Goodrow konnte den Imageverlust nicht bremsen und verlor weitere renommierte Galerien wie Monika Sprüth, Karsten Greve oder Hans Mayer.

Richten soll es nun Daniel Hug, ein junger Galerist aus Los Angeles. Den Posten als Direktor übernimmt er zwar erst im Mai, dennoch war Hug auf der Messe überall präsent und ließ wenig Zweifel daran, dass sich einiges ändern wird. Sein künftiger Beirat, dem neben Christian Nagel auch der Berliner Galerist Hendrik Berinson angehört, ist nahezu komplett. Im Übrigen, meint Hug, sei die Art Cologne gar nicht so schlecht wie oft beschrieben. Was für ihren aktuellen Auftritt stimmt.

Es gibt viel zu sehen, dem man andernorts selten begegnet. So ist die Galerie Marianne Hennemann (Bonn) mit informeller Malerei von K. O. Götz oder Hann Trier vertreten, die Galerie Utermann (Düsseldorf) steuert Fritz Winter bei, dessen gestisch-informelle Werke etwas vergessen und deshalb bereits ab 48 500 Euro zu haben sind. Gemälde von Konrad Klapheck, Emil Schumacher, Ernst Nay und Horst Antes oder die großartige Skulptur „Migof-Fantasien“ (1964) von Bernard Schultze für 38 000 Euro bei Zellermayer (Berlin) beweisen, dass die Art Cologne noch immer ein bedeutender Umschlagplatz ist.

Niklas von Bartha hat allerdings auch zahlreiche internationale Sammler ausgemacht. Der Londoner Galerist nimmt mit Künstlern wie Clay Ketter, Beat Zoderer oder Julia Mangold zum vierten Mal teil und urteilt differenziert. Hier könne man noch Entdeckungen machen, die im High-End-Reigen der Art Basel etwa untergingen. Wunderbare Beispiele dafür liefert die Straßburger Galerie J.P. Ritsch-Fisch mit „Outsider“-Positionen etwa von Chris Hipkiss oder der 1980 verstorbenen Britin Francis Marshall.

Unfreiwillig Außenseiter wird auf der Art Cologne dagegen, wer sich für das Untergeschoss entschieden hat und nicht zur experimentellen Plattform „Open Space“ gehört. Die strengen Kojen der 19 „New Contemporaries“ wirken wie an die Wand gedrückt. Schade, denn die Galerie wurden eigens eingeladen, und Teilnehmer wie Coma und Bracke aus Berlin bekamen Unterstützung durch die Stiftung Kultur der Kölner Sparkasse, weil man ihnen „ein Gespür für neue künstlerische Tendenzen“ attestiert. Dass dem „Open Space“ mit seiner offenen Architektur die Zukunft im jungen Spektrum der Messe gehört, ist kaum zu übersehen. Hugs nächste Aufgabe wird es sein, auch die Nachbarn zu integrieren.

Art Cologne, Messehallen 4&5, bis 20. April; tgl. 12–20 Uhr.

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