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Kultur: Beten ist besser als schlafen

Ilija Trojanow reist als Pilger nach Mekka

Vielleicht erzählen alle guten Bücher von Reisen. Was aber die eigentliche Reiseliteratur betrifft, ist dieses Genre weitgehend zum Survival-Geplauder mit Bildungsanspruch verkommen. Ilija Trojanow, der Romancier und stille, kluge Abenteurer, ist eine anachronistisch leuchtende Ausnahme. Geboren 1965 in Bulgarien, aufgewachsen in Deutschland und Afrika, lebte er fünf Jahre in Bombay und ist inzwischen nach Kapstadt weitergezogen.

Vielleicht erzählen alle guten Reisebücher von der Suche nach Gott. Trojanow weiß, dass Spiritualität etwas ungeheuer Kostbares ist, das man sich, wenn überhaupt, nur hart und demütig erarbeiten kann. Im Winter 2003 war er in Saudi-Arabien. Davon erzählt sein Buch „Zu den heiligen Quellen des Islam“ – ein zutiefst religiöser und verstörender Bericht.

Trojanow reist nicht undercover, sondern nach langer Vorbereitung als Pilger nach Mekka und Medina. Dieser Weg ist sein Ziel: Trojanow betet in der Kaaba, gehorcht dem Fastengebot, folgt der Menschenmasse zur Jamarat, der symbolischen Steinigung des Teufels, marschiert zum Brunnen, wo Abrahams Frau Hagar Wasser in der Wüste fand, lässt sich den Kopf scheren – und ruht aus in einer jener ShoppingMalls westlichen Stils, die den Pilger auf der Hadsch überraschen.

Die Hadsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, erlebt Trojanow als wohl organisiertes, zuweilen von bürokratischen Schikanen begleitetes Chaos. Vielspurige Highways und klimatisierter Busverkehr, automatisiertes Schlachten der Opfertiere, Designerläden und amerikanische Fast-Futterstationen: In westlichen Augen mögen das kaum aushaltbare Widersprüche sein. Trojanow aber nimmt diese Welt erst einmal, wie sie ist. Immer wieder zieht er sich zurück ins Gebet, zur Meditation, Ungeduld scheint ihm fremd. Er urteilt vorsichtig, doch entschieden: „Obwohl die Überlegenheit des Westens im Materiellen allseits anerkannt wird, folgt daraus keineswegs eine Akzeptanz seines Lebensstils und seiner säkularen Grundwerte.“ Der Islam sei „der Versuch, eine soziale Ordnung aufzubauen, indem sich die Gemeinschaft an ein göttliches Gesetz hält und ein spirituell wahrhaftiges Leben inmitten des Gewusels führt, inmitten des Menschen Überschuss.“

Trojanow liebt dieses Gewusel, den Überschuss des Globalen. In Mekka und Medina, in indischen Millionenstädten, deren Namen hierzulande keiner kennt, lässt er sich dahintreiben, erschöpft, aber mit den hellwachen Augen eines Menschen auf Schlafentzug. 2003 veröffentlichte er „An den inneren Ufern Indiens – Eine Reise entlang des Ganges“ (Hanser Verlag). Man sollte beide Bücher zusammen lesen, das arabische und das indische: zwei faszinierende und nicht ganz ungefährliche Teilstrecken einer langen Reise, die noch nicht zu Ende scheint.

„Beten ist besser als schlafen“, ruft der elektrisch verstärkte Muezzin. Was Trojanows Beobachtungen auszeichnet, ist die Gleichzeitigkeit der Welten: das religiöse Erlebnis in der Wüste, das von allem Pilger-Millionen-Business letztlich nicht berührt wird. Und die Gelassenheit, mit der er der Versuchung eines marktkonformen westlichen Islambuchs (Bin Laden! Bush!) widersteht. Trojanow sind die Menschen, deren Weg er kreuzt, wichtiger als eigene Befindlichkeiten und die Tagespolitik. Eine seltene Kunst.

Dieses Buch bestellen Ilija Trojanow: Zu den heiligen Quellen des Islam – Als Pilger nach Mekka und Medina. Malik Verlag, München 2004. 170 Seiten, 16, 90 €.

Rüdiger Schaper

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