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Kultur: Bett & Bad

Boy meets Boy: Tim Staffels „Westerland“.

Über die Berliner Schule wird seit Thomas Arslans „Gold“ im Berlinale-Wettbewerb wieder gestritten. Tim Staffels „Westerland“, der 2012 auf der Berlinale Premiere feierte, weist die Qualitäten auf, die man mit der Bewegung verbindet: ein leiser, langsamer, mitunter quälender, aber nachhaltiger Film. Boy meets boy: Zwei Jungs verbringen den Winter auf Sylt, Cem arbeitet fürs Ordnungsamt und will Landschaftsarchitektur studieren, der andere ist ein Chaot, der kifft, lügt, stiehlt und sich gerade eine Plastiktüte über den Kopf zieht, als sie sich begegnen. Bald teilen sie das Bett, doch während die Romanvorlage „Jesús und Muhammed“ noch den Untertitel „Eine Liebesgeschichte“ trägt, wird im Film nicht mal geküsst. Chronik eines Helfersyndroms: Am Strand von Westerland sammelt Cem Müll auf – um sich bald mit Jesús’ Seelenmüll zu befassen.

„Westerland“ ist kein Problemfilm. Cems Migrationshintergrund und sexuelle Orientierung sind ebenso wenig Thema wie die Frage, warum Jesús so dünn ist. Suggestive Dichte gewinnt der Film, wenn sich das Paar in Cems Wohnung zurückzieht. Man wartet regelrecht darauf, dass die Kacheln im Badezimmer mit Blut beschmiert werden, denkt an Polanskis „Ekel“ und Hitchcocks „Psycho“: Bestimmte Räume sind einfach filmhistorisch belastet. Cems Darsteller Burak Yigit hat Theater- und Filmerfahrung („Shahada“), Wolfram Schorlemmer jobbte als Küchenhilfe. Vom Tellerwäscher zum Filmstar: Sein Borderliner Jesús wirkt gefährlich und kindlich zugleich. Leider gibt Staffel den Nebenfiguren (Jule Böwe, Maxim Mehmet) zu viel Raum. Es geht um den Rückzug in die eigenen vier Wände, da hätte er noch radikaler vorgehen können. Dass er nicht überdeutlich wird und keine These illustriert, ist ihm jedoch hoch anzurechnen. Frank Noack

Cinemaxx Potsdamer Platz, Sputnik, Xenon, Zukunft

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