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Kultur: "Big Brother": Gefangene in Serie - Eine Diskussion in der Berliner Akademie der Künste

Wer sich "Big Brother" ansieht, kolonisiert sich selbst. Die RTL 2-Serie beförderte einen Prozess der Vereinheitlichung von Menschen: Solch provokante Thesen fielen am Mittwochabend während einer Diskussion über "Big Brother" in der Berliner Akademie der Künste.

Wer sich "Big Brother" ansieht, kolonisiert sich selbst. Die RTL 2-Serie beförderte einen Prozess der Vereinheitlichung von Menschen: Solch provokante Thesen fielen am Mittwochabend während einer Diskussion über "Big Brother" in der Berliner Akademie der Künste. Eingeladen waren Jens Jessen, Feuilletonchef der Zeit, der Regisseur Christoph Schlingensief und Peggy Fischer, hauptverantwortlich für die Sendung. "Wir vergleichen uns nicht nur mit Zlatko und Kerstin, wir gleichen uns ihnen an", sagt Jessen. "Big Brother ist für uns die Realität. Niemand würde hier von Theater sprechen. Sie glauben, sich selbst auf dem Bildschirm zu sehen." Dass auch "Big Brother" allein durch die Auswahl der täglichen Ausschnitte und durch den Kampf der Container-Bewohner um Anerkennung Theater ist, haben die wenigsten erkannt. "Im Theater weiß jeder, dass hinter jedem Schauspieler ein eigener Charakter steht", meint Jessen. In der Sendung sei das anders. Ein "Big-Brother"-Schauspieler ist in seiner Identität, seiner Rolle, gefangen.

Christoph Schlingensief hält "Big Brother" für verantwortungslos. "Die Bewohner des Hauses geben ihre Menschenwürde in der Sendung an der Garderobe ab." Es gebe einen wichtigen Unterschied zwischen seinem eigenen Wiener Container-Projekt mit Asylbewerbern und der Original-Serie: Hinter dem einen stecke ein politischer Bezug, "Big Brother" dagegen sei völlig sinnentleert. Schlingensief selbst stellt sich als ein Gefangener der Politik Österreichs dar. Er habe reagieren müssen und zwar so plakativ, dass es die Menschen von heute bewegt. "Ich schäme mich aber dennoch, Menschen einzusperren. Sie nicht", hält er der RTL-Redakteurin Fischer vor. Fischer widerspricht. Keiner der Bewohner sei zu irgend etwas gezwungen worden. "Es kann doch nicht sein, dass es Ihnen nur um Konflikte in zart-rosa geht", meint Jessen, "das wird doch langweilig." Warum dann die Einschaltquoten so hoch waren, kann sich keiner erklären. Sind wir Menschen doch nicht so sensationsgeil? "Es ist die Hoffnung, dass es doch noch zum großen Eklat kommt, die uns an der Sendung festhält", meint Jessen.

Schlingensief sieht das anders. "In Folgeserien hier in Deutschland oder im Ausland werden sich die Konflikte verschärfen. Sie müssen erzwungen werden, sonst sinken die Quoten." Wenn Schlingensiefs Vermutung zutrifft, muss demnächst also tatsächlich ein Hühnerhirn vor laufender Kamera ausgesaugt werden. Zlatko hatte davon nur gesprochen.

Renate Hirsch

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