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Kathleen Hanna von der Band Bikini Kill bei einem Konzert im Huxleys Neue Welt in Berlin, 7. August 2022.

© IMAGO/Martin Müller

Bikini Kill in Berlin: Solidarität ist zeitlos

Lassen sich Aufbegehren und Zorn konservieren? Das Konzert der US-amerikanischen Riot-Grrrl-Band Bikini Kill im Berliner Huxley's.

Bikini Kill wünschen sich, dass doch bitte alle eine Maske tragen mögen. Das steht am Eingang zum Neuköllner Club „Huxley's Neue Welt“. Erstaunlicherweise halten sich fast alle dran. Man hat inzwischen fast vergessen, wie sich so eine Maske anfühlt – beim Konzert der Riot-Grrrl-Band aus Olympia, Washington wird man wieder daran erinnert.

Ein Grundgedanke der popfeministischen Riot-Grrrl-Bewegung seit den frühen Neunzigern ist Solidarität. Nur gemeinsam lässt sich etwas gegen Sexismus und das Patriarchat unternehmen. Wenn alle nun die Maske aufsetzen, ist das so ein kollektiver Solidaritätsakt.

Außerdem wissen viele Fans von Bikini-Kill-Sängerin Kathleen Hanna, dass diese Jahre lang an einer Borreliose litt. Da möchte niemand der Genesenen jetzt noch Corona antun. Zumal Hanna im Laufe des Konzerts sagt, gerade erst eine Covid-Erkrankung hinter sich gebracht zu haben.

Bemerkenswert radikale Bewegung

Fast 25 Jahre musste man warten, um Bikini Kill mal wieder in Berlin erleben zu können. Beinahe so lange gab es die Band auch gar nicht mehr. Erst in den letzten Jahren tat sie sich fast in Urbesetzung für ein paar Liveauftritte zusammen. Von einer neuen Platte ist jedoch nicht die Rede.

Also spielen Bikini Kill die feministischen Hymnen von damals: „Carnival“, „Suck my left one“, „Reject all american“. Dringliche Songs, die den Frust über zudringliche Männer und die allgegenwärtige Objektifizierung des weiblichen Körpers ungeschliffen herausbrüllen.

Die Riot Grrrls mit Bikini Kill vorneweg waren in den Neunzigern eine bemerkenswert radikale Bewegung. Sie thematisierten Themen wie Vergewaltigung und Körperscham schon lange, bevor es Me Too gab und selbst Heidi Klum sich zu „Bodypositivity“ bekennt.

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Das Ganze fand ungefähr zeitgleich mit Grunge in Seattle statt. Doch während davon nicht viel mehr als die Erinnerung an Langhaarige in Flanellhemden und Kurt Cobain bleibt, können die Riot Grrrls stolz darauf sein, aktuelle Diskurse mitgeprägt zu haben.

Um so schmerzhafter ist es bei diesem Konzert, dass Bikini Kill im Hier und Jetzt doch für eine andere Zeit steht und Gefühle wie Wut und Zorn sich nur schwer konservieren lassen. Die Band spielt ihr Set solide herunter, aber echte Begeisterung kommt beim Publikum erst am Ende auf. Hanna trägt einen goldenen Fummel und tanzt ausgiebig. Verzerrte Gitarren, Punk- und Hardcore-Einflüsse, Hannas zwischen Sprechgesang und kreischender Rockröhre changierender Gesang: Musikalisch ist das alles ganz Bikini Kill.

"Rebel Girl" kommt ganz zum Schluss

Aber man wohnt hier spürbar nunmal keiner „Revolution Girl Style Now“ mehr bei, sondern einem Rockkonzert. Einst traten Bikini Kill teilweise nur vor Frauen auf; Männer mussten draußen bleiben oder wurden aufgefordert, sich nach hinten im Konzertsaal zu begeben, damit die Frauen vorne in Ruhe ihren Spaß haben konnten. Derartige Symbolpolitik gibt es von Bikini Kill heute nicht mehr. Die Band ist gediegener geworden.

Dazu passt, dass sie ihren größten Hit „Rebel Girl“ ganz am Ende spielt.

Vor kurzem gab es den Film „Moxi“ bei Neflix. Darin entdeckt eine Tochter zufällig, dass ihre Mutter mal ein Riot Grrrl war. Mit dieser Neuentdeckung mischt sie ihre Schule auf, entdeckt die Kraft einer vergangenen Bewegung neu. Bikini Kill können immer noch wichtig sein, so die Message.

Gleichzeitig muss man bei der Betrachtung der Doku „Pussy, Power, Pleasure“ in der Arte-Mediathek feststellen, dass sich der Popfeminismus von heute kaum noch mit den Heldinnen von einst beschäftigt. Ein wenig mit Madonna vielleicht noch, sonst aber sind Beyoncé und Cardi Bs „Wet Ass Pussy“ tonangebend: radikal, feministisch, auf Diversität bedacht.

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