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Juan Gris’ kubistisches Bild „Nature morte à la nappe à carreaux“ (Ausschnitt) brachte bei Christie’s 57 Millionen Dollar.

© Christie’s

Bilanz des Kunstmarkts 2014: Hype und hohe Preise

Auf dem internationalen Kunstmarkt punkteten Christie’s und Sotheby’s 2014 erneut mit Umsatzrekorden. Sie offerieren aber auch immer mehr Lose. Eine Jahresbilanz

Die Kunst spielte im Kunstmarktjahr 2014 fast die geringste Rolle. Viel interessanter war der Hype der hohen Preise, waren die Machenschaften der erschreckend kleinen Clique, die den Markt für zeitgenössische Kunst zu ihrer Spielwiese erkoren hat – und nicht zuletzt die Konkurrenzkämpfe zwischen den Auktionshäusern Christie’s und Sotheby’s samt ihrer obskuren Personalmanöver in den Chefetagen, die zum Jahresende mit dem Rücktritt der Chefmanager in beiden Häusern endete. Wird Christie’s, eine Privatfirma, 2015 verkauft? Vielleicht an einen Scheich, der sich im Kunstkasino engagiert?

Über allem stand als Klammer die von heimlichem Neid und öffentlicher Verachtung getriebene Faszination an den Superreichen. „Geld frisst Kunst“ hieß eines der Dutzend neuen Bücher, die dem Phänomen Kunstmarkt auf die Schliche kommen wollen. Sehen wir die Spitzenkäufe an, merken wir aber, dass sich so viel nicht geändert hat. Das teuerste Auktionslos ersteigerte Steven A. Cohen, der New Yorker Hedgefonds-Manager, der schon lange in vorderster Reihe steht, wenn es um wirkliche Ausnahmelose geht. Als einsamer Telefonbieter ließ er sich im November Giacomettis Bronze „Chariot“ für 101 Millionen Dollar zuschlagen. Das war viel Geld, aber kein Rekord. Dass Kunstwerke über 100 Millionen Dollar kosten können, haben wir inzwischen gelernt.

Sammler aus Asien und Südamerika drängen auf den Kunstmarkt

Ein anderer New Yorker Superfinanzier, Leon Black, soll das teuerste Altmeistergemälde des Jahrs ersteigert haben: William Turners „Rom, vom Aventinischen Hügel aus gesehen“, für 47 Millionen Dollar. Auch das war kein Ausreißerpreis, ein ähnlich großes Rombild Turners hatte 2010 fast ebenso so viel gebracht.

Wenn es ein Jahr ohne Preisrekorde an der Spitze war, marschierten die Preise doch auf breiter Basis voran. Mehr Sammler aus Asien und Südamerika drängen nach, neue Künstler werden gebraucht, die ins oberste Preissegment nachrücken können. Es gab einen Rekordpreis von 84 Millionen Dollar für ein museales Bild von Barnett Newman, „Black Fire I“, das der Einlieferer 1975 für 150 000 Dollar in gekauft hatte. Riesige Preissprünge machten Cy Twombly (69,6 Mio. Dollar), die amerikanische Blumenmalerin Georgia O’Keefe, die mit 44 Millionen Dollar nun die teuerste weibliche Künstlerin ist. Es gab neue Höchstpreise für Martin Kippenberger (22,6 Mio. Dollar), Peter Doig (18,1 Millionen Dollar), Georg Baselitz (7,5 Mio. Dollar), Rosemarie Trockel (4,7 Mio Dollar) und andere. Der Grund ist immer der gleiche: Immer mehr Menschen haben so riesige Vermögen, dass sie es sich nicht leisten können, um die Kunst einen Bogen zu machen.

Allzeithoch. Für Edouard Manets Frauenporträt von 1881 (Ausschnitt) bezahlte ein Sammler bei Christie’s 65 Millionen Dollar.
Allzeithoch. Für Edouard Manets Frauenporträt von 1881 (Ausschnitt) bezahlte ein Sammler bei Christie’s 65 Millionen Dollar.

© Christie’s

Christie's erzielte drei Mal Höchstmarken - im November 853 Millionen Dollar

In den großen Contemporary-Auktionen – aber nicht nur dort – wird der neue Leitgeschmack für die Welt herausgebildet. Auktionshäuser entscheiden, was gefällt und teuer wird. Auktionen mit chinesischer oder russischer Kunst gingen zurück, auch weil sich Russen und Chinesen den neuen Geschmacksnormen erstaunlich schnell beugen. Kein Wunder, dass die beiden Auktionsriesen Christie’s und Sotheby’s 2014 als weiteres Umsatzrekordjahr verbuchen können werden. Denn die wirklich wichtigen Rekorde kamen von hier. Christie’s setzte dreimal hintereinander neue Höchstmarken in den Abendauktionen mit zeitgenössischer und Nachkriegskunst. Im November 2013 hatte die Höchstmarke 691 Millionen Dollar erreicht, im Mai 2014 wurde sie auf 765 Millionen Dollar und im November auf 853 Millionen Dollar angehoben. Doch wurden auch jedes Mal mehr Lose angeboten.

Bei den erzielten Durchschnittspreisen, besseren Indikatoren für den Stand des Marktes, war der Vormarsch allerdings weniger spektakulär – von elf Millionen Dollar im November 2013 auf 11,4 Millionen im November 2014. Genau besehen war das alles ziemlich vorhersagbar. Die Spitze des Kunstmarkts ist klein. Andy Warhol war der Künstler des Jahres. Er hält unter den fünfzig teuersten Kunstwerken die Spitzenposition mit sechs Werken – auch weil er den am besten durch Superspekulanten abgesicherten Markt hat. Dazu gehörten die beiden Bilder aus dem Aachener Spielkasino, die als Eigentum des Landes NRW unter heftigen Protesten gegen die Verschleuderung „deutschen Kulturerbes“ versteigert wurden – obwohl niemand die Bilder vermisst hatte, als sie wegen ihres hohen Wertes fünf Jahre lang im Tresor lagen. „Triple Elvis“ kostete 82 Millionen Dollar, der vierfache Marlon 70 Millionen Dollar. Eigentlich war es Routine. Der „Silver Car Crash“ hat vor einem Jahr schon 108 Millionen Dollar gekostet.

Jeff Koohns stählerner "Popeye" von 2009/2011(Ausschnitt) wechselte für gut 28 Millionen Dollar seinen Besitzer.
Jeff Koohns stählerner "Popeye" von 2009/2011(Ausschnitt) wechselte für gut 28 Millionen Dollar seinen Besitzer.

© Sotheby's

Passionierte Kunstsammler zahlen Millionen

Francis Bacon folgt in der Hierarchie auf Warhol mit fünf Werken, Mark Rothko mit vier, dann kommen Pablo Picasso, Jeff Koons, Claude Monet und Gerhard Richter mit jeweils drei. Dies ist die Preiselite des heutigen Kunstmarkts. 2014 war aber auch, auf eine stille und schöne Weise, das Jahr der alten und der klassischen Kunst. Es gibt noch genug Sammler, die sich für das Historische und die schnell historisch werdende klassische Moderne interessieren und dafür Preise bezahlen, die sich beim Wiederverkauf nicht so schnell realisieren lassen. Diese Kunstkäufe haben nichts mit Spekulation oder Gewinnsucht zu tun: Hier kaufen Sammler aus der Leidenschaft, Exzeptionelles besitzen und bewahren zu dürfen.

Am Schnittpunkt von Kunstbegeisterung, wohlfeilem Geld und exorbitantem Reichtum ist vieles möglich. Wenn ein Sammler für einen kleinen Holzschnitt von Caspar David Friedrich, der bei der Villa Grisebach bis 15 000 Euro kosten sollte, einen Ausreißerpreis von 901 000 Euro bezahlt, ist das keine Spekulation, sondern ein Akt mehr oder weniger rationaler Leidenschaft. Andere Preise in dieser Liga der Passionierten waren die umgerechnet 24 Millionen Dollar, die in London für ein großes Merzbild von Schwitters bezahlt wurden, oder die 57 Millionen Dollar für Juan Gris’ kubistische Komposition „Nature morte à la nappe à carreaux“ aus dem Züricher Nachlass Giedion-Welcker.

Und dass Edouard Manets Porträt von Jeanne Marsy, das als Teil einer geplanten Jahreszeitenserie den Titel „Le Printemps“ trägt, 65 Millionen Dollar und ein Blumenbild von van Gogh 62 Millionen Dollar erzielen konnten, zeigt, dass sogar die nun altmodischen Impressionisten Bestand haben. Schließlich wird niemand dem Amsterdamer Rijksmuseum leichtsinnige Spekulation vorwerfen, weil es 28 Millionen Dollar für die Bronzestatue von Adrian de Vries bezahlte – eine die Weltkugel tragenden Atlasfigur, die bis vor kurzem und offenbar 300 Jahre lang unerkannt in einem oberösterreichischen Schlosshof stand.

Kunst zeigte also auch 2014, dass sie nicht nur teuer ist, weil sie für manche zum Kasinochip wurde, sondern weil sie Teil von Geschichte, Kultur, historischem Wissen, verfeinertem Geschmack und Achtung vor der historischen Leistung unserer Vorfahren ist.

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