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Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner.

© dpa

Bilanz nach 100 Tagen: Kulturstaatssekretär Tim Renner ist im Amt angekommen

Seine Wahl war eine Überraschung - seit Tim Renner jedoch im Amt ist, spielt er nicht den Hipster, sondern nimmt die Aufgaben des Berliner Kulturstaatssekretärs ernst. Auch wenn sein Handlungsspielraum begrenzt ist.

Keine Witze über Namen. Es würde auch gar nicht passen in seinem Fall. Tim Renner, seit gut 100 Tagen im Amt, hat sich sorgfältig eingearbeitet. Eine Senatskulturbehörde, die einen Jahresetat von knapp 400 Millionen Euro verwaltet, will verstanden und geführt sein. Man musste sich ja erst einmal kennenlernen. Das gilt erst recht für die reich verzweigte hauptstädtische Kulturszene und ihre Anführer, die eines Antrittsbesuches harren. Tim Renner hat viele Hände geschüttelt und sich umgesehen. Er kommt gut an, fürs Erste, er ist offen, neugierig, schlagfertig und jetzt erst einmal in Asien, im Urlaub.

Viel mehr ist noch nicht passiert. Keine Anzeichen dafür, dass Frank Castorf an der Volksbühne und Claus Peymann am Berliner Ensemble nach 2016 nicht weitermachen. Selbst wenn er gewollt und gedurft hätte: Wie hätte Renner (oder sonst jemand) in so kurzer Zeit zwei derart prominente Berliner Theaterchefs verabschieden können? Und wen dann bringen? Mit welchem Auftrag?

Als er Ende April antrat, der Überraschungssieger im schwierigen Nachfolgeauswahlverfahren für André Schmitz, lagen die Grundlinien seiner Politik schon fest. Der Doppelhaushalt für 2014/15 war längst beschlossen, und falls sich die Freie Szene große Hoffnungen gemacht hat wegen des Personalwechsels: Renner lobt die kreativen Potenziale, kann oder will an den Strukturen nichts Entscheidendes ändern. So sieht es im Moment aus, in den Sommerferien.

Man darf seinen Einfluss nicht überschätzen. Auch wenn der öffentliche Auftritt eines Tim Renner dazu verführt. Der Kultursenator heißt Klaus Wowereit, und der lässt sich die Entscheidungsgewalt nicht nehmen. Zum Beispiel in der Frage der Landesbibliothek. In Tempelhof wird es damit wohl nichts, und Tim Renner würde in den knapp zwei Jahren, die er im Amt vor sich hat, gern den neuen Standort bestimmt haben. Damit verbindet sich die Frage, ob die Berliner Landesbibliothek mit einem „Schaufenster“ ins Humboldtforum einzieht, so wie es stets geplant war. Wowereit würde gern darauf verzichten und am Berliner Anteil für das Humboldtforum sparen, aber das kann er nicht allein durchziehen. Da ist der Bund beteiligt – und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die wiederum könnte mehr Platz im Humboldtforum gut gebrauchen. Das Thema wird nach der Sommerpause eine Rolle spielen. Und da ist Renner gefragt mit seiner digitalen Expertise.

Der Begriff „Zentrale Landesbibliothek“ klingt altbacken, wenn es um ein Medienzentrum des 21. Jahrhunderts geht, wo es natürlich auch gedruckte Bücher gibt. Aber nicht nur. Tim Renner hat, was die Zukunft der Stadt und ihrer Kultur angeht, einen Vordenkerjob. Das fehlt diesem Senat: die Lust und Kompetenz, die Erfolgsgeschichte der Berliner Kultur weiterzuspinnen. Dazu gehört der Komplex der Liegenschaftspolitik, der Quartiere für Künstler, der großen Freiräume, die Berlin noch auszeichnen. Kulturszene und Investoren bewegen sich unaufhaltsam aufeinander zu, und Kulturpolitik sollte das Tempo und die Art und Weise mitbestimmen, in dem das geschieht. Ob es einen fiesen Clash gibt oder einen guten Flash.

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