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Kultur: Bilder aus dem Schlafzimmer: Der Gatte als Hirsch

Da wird geröhrt und geschmachtet, bis sich die Bettbalken biegen. Brünftige Hirsche jagen Hindinnen, üppige Elfen tänzeln über Wiesen und Bäche, satte Marienherzen triefen vor lauter Schmalz.

Da wird geröhrt und geschmachtet, bis sich die Bettbalken biegen. Brünftige Hirsche jagen Hindinnen, üppige Elfen tänzeln über Wiesen und Bäche, satte Marienherzen triefen vor lauter Schmalz. Aber damit hat es nun bald ein Ende. Die Schlafzimmer sterben aus. Zumindest die mit verlässlich knarrenden Doppelbetten, in denen noch richtig gezeugt, geschnarcht und gestorben wurde. Und in die man nur heimlich und zumindest auf Zehenspitzen einen Blick werfen durfte. Düster, muffig und karg war die Bettfront, die man zu sehen bekam. Nicht so allerdings die Bilder, die sie krönten. Sie strotzten nur so von kitschiger Üppigkeit. Der österreichische Journalist Günther Nenning hat die vom Aussterben bedrohten Schlafzimmerbilder gesammelt, auf ihren semantischen Schlaf- und Zeugungszimmergehalt hin durchleuchtet und in einem hübschen Bändchen zusammengestellt (Verlag Christian Brandstätter, Wien 2000, 39,90 Mark). Knisternde Lüsternheit kommt zum Vorschein. Wie der Hirsch nach der Hindin springt, so querte der Gatte die bürgerliche Bettritze. Dem zarter Besaiteten bot sich das Schwanenbild: Gattin mit Gatte als Leda mit Schwan. Schnabulierende weiße Unschuld mit lüstern-langem Hals und unverschämt orangeroter Spitze. Dass sich Großvaters Träume nicht um spindeldürre Modelkörper rankten, beweisen die Elfen: Vollbusig und breithüftig sind sie - mit kräftigen Waden vom vielen Tanzen. Und herzallerliebst blicken die Schutzengel und das Jesuskind. Ohne sie lief auch im Schlafzimmer nichts.

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