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Bilderbuch am 11. Februar 2017 auf der Berlinale zur Premiere des Films "Wilde Maus".

© dpa

Bilderbuch in der Volksbühne: Frinks für alle!

"Falcos Erben" sollen sie sein. Dabei ist die österreichische Band so viel mehr als Austropop. Was sie jetzt in der Volksbühne unter Beweis gestellt haben.

Michael Krammer hat sich die Nägel gemacht. Sie sind neonpink lackiert. Das weiß auch der Mensch am Lichtpult. Wenn Krammer seine Finger übers Griffbrett der Gitarre gleiten lässt und mit einem Solo das Auditorium der Volksbühne zerschneidet, dunkelt der Mann am Pult alles ab, und plötzlich leuchten nur noch diese Nägel. Der Rest ist Schattenspiel. Das sieht gut aus und ist wichtig: Bilderbuch sind eine Band, die schon mit ihrer Optik Räume öffnet. Sänger Maurice Ernst mit blondierten Haaren und einer Hose, über und über bedruckt mit Peace-Zeichen. Drummer Philipp Scheibl, der sich die Haare zu kleinen Zöpfen geflochten hat. Krammer mit Neonnägeln und einem schwarzen Netzhemd. Die Österreicher verschmelzen Look und Gestus des 80er-Acid-House mit ein bisschen N’Sync, was hervorragend zu ihrer Musik passt: Denn deren Eklektizismus ist noch einmal kleinteiliger zusammengesetzt.

Verzückter Soul und Cloudrap

Gut eineinhalb Stunden lang spielt sich die Band vor allem durch das Material der letzten beiden Alben: „Schick Schock“ von 2015 und „Magic Life“, erschienen am Tag des Konzerts. Gefeiert werden die Hits, etwa „Plansch“ und „Maschin“, mit denen Bilderbuch 2013 ihren Stilwechsel einläuteten und deren Wirkprinzip auch für das neue Material gilt: Effektgeladene E-Gitarren der 80er werden mit ultramoderner Rhythmik kombiniert, verzückter Soul über Cloudrap geschichtet. Der Bass kommt oft vom Keyboard, auf Ernsts Vocals liegt bisweilen der Autotune-Effekt. Und auch wenn „Magic Life“ verwinkelter wirkt als der Vorgänger: Am Ende landet die Band beim Pop. Der Refrain ist das Allerheiligste eines jeden Bilderbuch- Songs. Den muss man sich schnell merken können. Auf „Magic Life“, benannt nach einem Urlaubsresort, hat die Band sogar ein eigenes Wort erfunden: „Frinks“ ist die Abkürzung für „Free Drinks“, die gut in den Bilderbuch-Kosmos passen. Ernst konstruiert nur auf den ersten Blick hermetisch abgeriegelte Happyness-Lyrics.

Als „Falcos Erben“ bezeichnete eine Musikzeitschrift die Band einmal, was nicht ganz richtig ist. Wo bei Falco die Verzweiflung offen dalag, kommt sie bei Bilderbuch aus dem Hinterhalt. Eher ergibt ein Vergleich mit dem Alpin-Tropicalismo der Ersten Allgemeinen Verunsicherung Sinn. Trotzdem ist es falsch, Bilderbuch in irgendeine Austropop-Schublade stecken zu wollen. Sie sind schlicht und ergreifend eine der interessantesten deutschsprachigen Bands der Gegenwart.

Gegen Ende spielen Bilderbuch die aktuelle Single „Bungalow“. Ein Song, in dem „Eye Of The Tiger“ auf Daft Punk trifft und dessen wichtigste Textzeile „Baby, leih mir deinen Lader“ lautet. Als Maurice Ernst sie in der Volksbühne singt, fliegen plötzlich iPhone-Kabel durch die Luft. Eines davon fängt er auf, beiläufig, als hätte er das schon tausendmal gemacht. Irrer Typ. Irrer Abend.

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