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Kultur: Bildhauer Rainer Kriester: Kunst und Kult - Der Berliner zeigt im Pergamon-Museum seine Werke

In Ligurien hat der Berliner Bildhauer Rainer Kriester vor fast zwanzig Jahren eine Landschaft gefunden, die seine Steinblöcke mit Himmel und Erde kommunizieren lässt. Fotos von diesem Freiluftatelier des Künstlers fehlen in keinem seiner Kataloge.

In Ligurien hat der Berliner Bildhauer Rainer Kriester vor fast zwanzig Jahren eine Landschaft gefunden, die seine Steinblöcke mit Himmel und Erde kommunizieren lässt. Fotos von diesem Freiluftatelier des Künstlers fehlen in keinem seiner Kataloge. Seine scharfkantigen "Köpfe" und mit Lineaturen überzogenen "Sonnenzeichen" gleichen dort schon von weitem einer prähistorischen Kultstätte. Dennoch sind sie nicht Ausdruck eines kollektiven Glaubens oder gemeinschaftlichen Rituals sondern individuelle und monumentale Setzung. Da stemmt sich einer mit archaischer Wucht gegen den Verlust von verbindlichen Symbolen.

In Berlin wurde der Bildhauer nun anlässlich seines 65. Geburtstages von Wolf-Dieter Heilmeyer, Direktor der Antikensammlung, ins Pergamonmuseum eingeladen. Die Ausstellung "Der mediterrane Traum" beginnt mit "Sonnenzeichen" aus Bronze im Ehrenhof, lässt eine "Große Stele" vor dem Markttor von Milet obeliskengleich in die Höhe fahren, reiht Kriesters Skulpturen unter Grabmäler und stellt sie im Athenasaal am Ende einer Promenade auf, die von Göttinnen, Kaiserinnen und Amazonen gesäumt wird. So stellt ihnen die museale Inszenierung fast alle Bedeutungsebenen zur Verfügung, die die Überlieferung der antiken Mythen in Stein und Architektur nur kennt.

Doch der wirkungsvolle Rahmen ändert wenig an dem Gefühl, dass sich Kriester in seinen Köpfen und Stelen wiederholt. Die geometrischen Verspannungen der Oberflächen durch die Linien der Sonnenzeichen und die Zahlenkolonnen, die Tore und Kalendersteine überziehen, bleiben bedeutungssuchende Gesten an der Oberfläche. Sie erreichen nicht die gleiche Berührung durch den unaufhaltsamen Fluss der Zeit, wie sie etwa der Maler Roman Opalka durch die immer blasser werdenden Zahlen, die er in seinen minimalistischen Bildern fortlaufend schreibt, auslöst. Noch haben sie jene Kraft, uns über die Jahrhunderte hinweg Staunen vor den menschlichen Ordnungsleistungen abzunötigen wie die verwitterte "Stelenreihe von Assur", die zwei Säle weiter dichtgedrängt zusammenstehen.

Nun kann man modernen Skulpturen eigentlich nicht vorwerfen, nicht die Aura eines Jahrtausende alten Artefakts zustande zu bringen. Kriesters Skulpturen aber scheinen es darauf anzulegen, alles Jetztzeitige und Diesseitige von sich abzustreifen. Er selbst hat seine bildhauerische Arbeit einmal als die "Folklore eines unbekannten Stammes" beschrieben. Vielleicht muss man Mann sein, um sich in diesem Stamm wiedererkennen zu können.

Katrin Bettina Müller

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