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Gruppenbild mit Patriarchen. Die Familien des Amerikaners Jim Caldwell (Robert Duvall) und des Engländers Kingsley Bedford (John Hurt, beide vorne links) begegnen einander in Alabama. Den sonderlichen Sohn Skip spielt Regisseur Billy Bob Thornton (Mitte). Und wer entdeckt Kevin Bacon?

© Van Redin

Billy Bob Thornton: Schlachtfeld Familie

Culture Clash: In Billy Bob Thorntons Sixties-Drama „Jayne Mansfield’s Car“ treffen eine amerikanische und eine englische Familie aufeinander. Auf der Pressekonferenz erzählt der Regisseur und Schauspieler von seinem Vater.

Am Anfang knurren sie einander bloß an. „Wie geht es Ihnen?“, fragt Kingsley Bedford seinen Gastgeber Jim Caldwell, und der grummelt beinahe lautlos: „Gut“. Ihre Gesichter sind versteinert, die Körperhaltung signalisiert Abwehr. Small Talk fällt schwer, wenn man sich jahrzehntelang gehasst hat, aus der Ferne. Bedford ist der Engländer, für den Naomi einst Caldwell, ihren Ehemann, und die gemeinsamen Kinder in Amerika hat sitzenlassen. Nun stehen die beiden alten Männer einander zum ersten Mal gegenüber, weil sich Naomi, bevor sie an Krebs starb, gewünscht hat, nicht in England, sondern in Morrison begraben zu werden, ihrem Heimatstädtchen in Alabama.

John Hurt und Robert Duvall spielen in Billy Bob Thorntons Südstaaten-Großfamiliendrama „Jayne Mansfield’s Car“ diese beiden Patriarchen, und ihnen dabei zuzusehen, wie ihre Antipathie langsam schwindet und aus gemeinsamer Trauer eine Art Männerfreundschaft entsteht, das gehört zu den bislang anrührendsten Momenten dieser Berlinale. Am Ende gehen die einstigen Rivalen sogar gemeinsam auf die Jagd.

Die Welt ist 1969 in Aufruhr, und die Ausläufer der Erschütterung erreichen selbst das verschlafene Südstaatennest. Als auf der Main Street ein paar Hippies gegen den Krieg in Vietnam demonstrieren, werden sie von den Kleinstadtpolizisten in Handschellen gelegt. Rädelsführer ist Caldwells Sohn Carroll (Kevin Bacon), der das Hippiealter zwar schon deutlich hinter sich gelassen hat, seine Tage aber trotzdem im Rausch der Joints und Trips verdämmert. Der Vater hält ihn für einen „Landesverräter“, genauso missraten wie Skip (Billy Bob Thornton), der mit 50 noch immer in seinem Kinderzimmer auf der väterlichen Ranch lebt. Ironischerweise sind beide dekorierte Weltkriegs- II-Veteranen, während der angepasste Lieblingssohn Jimbo (Robert Patrick) den Kriegsdienst in einer Wäscherei an der Heimatfront absolvierte.

Caldwell und Bedford passen nicht mehr in diese Zeit, sie sind, wie es einmal heißt, „Dinosaurier, deren Tage gezählt sind“. Auch der Engländer wettert gegen „die kommunistischen Bastarde, die wir in Vietnam stoppen müssen“, auch er hadert mit seinem Sohn Phillip (Ray Stevenson), der sich im Krieg ergeben hatte anstatt zu sterben. „Jayne Mansfield’s Car“ hat durchaus seine Tennessee-Williams- Momente, doch immer, wenn die Konflikte eskalieren, etwa in einer Gewitternacht, nimmt Billy Bob Thornton, der im Drehbuch eigene Jugenderfahrungen verarbeitet hat, Tempo aus der Inszenierung. Als der angetrunkene Carroll seinem Vater Gefühlskälte vorwirft, entwickelt sich daraus kein Faustkampf, sondern beinahe eine Liebeserklärung: „Als Kind habe ich dich bewundert, mehr noch als den Präsidenten Roosevelt.“

Wenn eine amerikanische und eine englische Familie aufeinandertreffen, dann ist das auch ein Komödienstoff. Thornton gewinnt dem Clash of Cultures sogar einige Slapstickszenen ab, etwa wenn der Sonderling Skip so hingerissen ist vom britischen Akzent seiner Halbschwester Camilla (Frances O’Connor), dass er sie in seiner Autowerkstatt nackt Dramenverse rezitieren lässt. Und Jayne Mansfields Auto? Das ist nur noch das Wrack, in dem die Schauspielerin tödlich verunglückte, und steht nun in einer Art Jahrmarktbude auf einem Supermarktparkplatz, als gegen Eintritt zu besichtigendes Großsymbol gescheiterter Träume. „Eben befand sich noch eine Seele in diesem Auto, nun liegt da bloß noch eine tote Puppe“, sagt Caldwell, der im Angesicht des Todes zum Poeten wird. Christian Schröder

14.2., 12 Uhr und 19.2., 12.15 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

Die Frage musste ja kommen: Ob er auf dem Festival schon seine Exfrau Angelina Jolie getroffen habe? Geht ja eigentlich außer den beiden und vielleicht noch Brad Pitt niemanden etwas an, aber Billy Bob Thornton hat ähnliche Fragen schon zu oft gehört, um sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen. Also, Angelina sei eine „wunderbare Frau“ und werde „immer meine beste Freundin“ sein. „Ich werde sie bis zum Ende meines Lebens lieben und sie mich, und ich liebe auch Brad und ihre Kinder“ – ein wahres Liebesnest also, könnte man folgern, aber Thornton legt Wert auf Präzision: Liebe ja – „als Freunde“. Und was die Anfangsfrage betrifft: Nein, auf dem Festival hat er sie noch nicht getroffen.

Eigentlich nicht allzu weit entfernt vom Thema seines Films „Jayne Mansfield’s Car“. Auch dort ein Beziehungsknäuel, und wenn in der von Thornton ersonnenen Geschichte weder Angelina oder Brad Ideengeber gewesen sein dürften – destilliert aus privaten Erfahrungen des Regisseurs, Autors und Darstellers Thornton ist sie doch, wie er auf der Pressekonferenz am Montag bekannte: Auch sein Vater hatte den vierjährigen Billy und seinen Bruder gerne zu Unfallorten mitgenommen. Da stand er dann immer mit seinen Jungens, rauchte Zigarre – „seine Möglichkeit, mit uns in eine Beziehung zu treten“.

Ein gewalttätiger Mensch sei er gewesen, Navy-Veteran aus dem Koreakrieg, „eine sehr intensive Persönlichkeit, die aber nie mit mir eine persönliche Unterhaltung geführt hat“. Sein Vater habe nie die Fähigkeit besessen, etwas Privates auszudrücken. Und erst als 17-Jähriger habe er als Sohn erkannt, dass er seinen Vater liebte. Eine prägende Beziehung. Denn letztlich sei es ihm immer darum gegangen, die Anerkennung und Billigung alter Männer zu finden. Von Robert Duvall etwa, dem langjährigen Mentor, oder John Hurt – Vaterfiguren, die er fürchte, von denen er aber auch wolle, dass sie ihn gut finden. Andreas Conrad

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