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Allein und einer von drei. Peer Steinbrück im Bundestag. Foto: dpa

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Biografie über Peer Steinbrück: Nicht ganz so stringent wie sein Bild

Zwei Biografien durchleuchten das Leben und Wirken von Peer Steinbrück. Der populäre SPD-Politiker fremdelte zeitlebens mit der eigenen Partei.

Von Hans Monath

Es gibt Bücher, die gleichen Risikowetten mit sehr hohem Einsatz. Und nirgendwo ist das Risiko von Autor und Verlag so hoch wie bei Publikationen über Politiker, die zwar für wichtige Aufgaben gehandelt werden, die am Ziel jedoch noch nicht angekommen sind. Was aber, wenn es dann nichts wird mit dem Griff nach der Macht? Bücher über Verlierer liegen bekanntlich wie Blei in den Regalen.

Gleich drei dieser risikoreichen Werke sind für diesen Herbst angekündigt, es sind Biografien über Peer Steinbrück. Die Bücher Daniel Friedrich Sturms und des Autorenpaares Eckart Lohse und Markus Wehner sind bereits erschienen, das von Daniel Goffart ist für Mitte November angekündigt. Goffart geht das höchste Risiko ein, wenige Wochen nach dem Erscheinen könnte die Entscheidung der Sozialdemokraten über ihren Kanzlerkandidaten schon gefallen sein.

Die Aufmerksamkeit für die drei Anwärter ist ungleich verteilt: Während der Lebensweg, die Politik und der Charakter des Ex-Finanzministers in diesem Herbst gleich drei Mal durchleuchtet werden, interessiert sich aktuell kein Biograf für SPD-Chef Sigmar Gabriel. Über Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier liegt immerhin eine knappe, klug urteilende und keineswegs lobhudelnde Biografie von Torben Lütje vor, die allerdings aus dem Jahr 2009 stammt. In den vier Jahren seither hat der Kanzlerkandidat von damals politische und menschliche Krisen durchgestanden, die aber offenbar kein Verlag für beschreibenswert hält.

Woher kommt der öffentliche „Run“ auf Steinbrück, der als einfacher Bundestagsabgeordneter seit Jahren Popularitätswerte wie Angela Merkel erreicht? „Peer Steinbrück ist eine Projektionsfläche“, heißt die Begründung von Lohse und Wehner. Gerade vor dem Hintergrund einer Kanzlerin, die geistige Führung verweigere, nur moderiere und keine spannende persönliche Geschichte erzähle, sehnten sich die Menschen nach „klarer Kante“ oder wenigstens nach dem Versprechen solcher Entschiedenheit, und das verkörpere Steinbrück: „Der Mann aus Hamburg macht die Leute glauben, dass hier einer steht, der genau weiß, wo vorne ist und wie man geradeaus fährt.“

Das Bild der Geradlinigkeit, das Steinbrück von sich selbst zeichnet, stellen beide Biografien mit viel Material überzeugend infrage. Der Politiker, der den Deutschen vor allem als Bundesminister und erfolgreicher Manager der Finanzkrise von 2008 in Erinnerung ist, hatte als Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen (2002 bis 2005) durchaus Schwierigkeiten, „für das Große und Ganze zuständig zu sein“, wie Lohse und Wehner schreiben. Viel von seiner Zeit als Chef der rot-grünen Landesregierung habe er für „den Versuch genutzt, die ihn tragende Koalition in die Luft zu sprengen. Auch als Krisenmanager, da sind sich beide Biografien einig, agierte er nicht so stringent, wie es im Nachhinein scheint. So zeigte er sich noch bis zum Zuammenbruch der US-Investmentbank Lehmann Brothers zuversichtlich, die Bankenkrise werde Deutschland nicht besonders hart treffen.

Nicht als Parteipolitiker ist der Bürgersohn Steinbrück aufgestiegen, sondern als Mann der Exekutive, als Referent und später Beamter in Bonner Ministerien und im Kanzleramt, wo er erstmals mit Helmut Schmidt zusammentraf, der ihn im vergangenen Herbst als Kanzlerkandidat ausrief. Über Stationen als Staatssekretär und Landesminister in Schleswig-Holstein kehrte er nach Nordrhein-Westfalen zurück, wo er Wolfgang Clement als Ministerpräsident beerbte. Der Parteikosmos der SPD aber, jener politischen Kraft, die nun auf ihn setzen könnte, blieb ihm zeitlebens fern, woraus er nie einen Hehl machte. Der Hang zur Selbstbeschäftigung vieler Funktionäre, die er einmal als „Heulsusen“ schmähte, ging ihm immer gegen den Strich.

Sein Biograf Sturm, einer der besten Kenner der SPD, nimmt ihm diese Einstellung übel. Nicht nur wirft er Steinbrück vor, er arbeite „an seinem Image als Anti-Politiker“, profiliere sich also als Berufspolitiker auf Kosten des eigenen Standes. Der Autor hält Steinbrück auch vor, er zeichne ein Zerrbild der SPD „als verstaubt, ideologisch, borniert und irrational“, um sich selbst zu erhöhen. In der Entscheidung über die K-Frage könnte diese Einstellung den Ausschlag geben.

Am Ende spitzt Sturm sein Urteil zu: „Steinbrücks Programm heißt vor allem Steinbrück.“ Seit ihm Mitarbeiter fehlten, die ihm widersprechen, verstärke sich „seine autoritäre Attitüde und seine Rücksichtslosigkeit, mit denen er sich oft am meisten selbst schadet“. Das klingt wie eine Warnung. Lohse und Wehner urteilen auch kritisch, aber vorsichtiger. Welches Buch also nehmen? Die Steinbrück-Fans sollten Sturm lesen, seine notorischen Kritiker Lohse/Wehner. Dann lernen beide etwas dazu. Hans Monath

Daniel Friedrich Sturm: Peer Steinbrück. Biografie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012. 300 Seiten, 14,90 Euro.

Eckart Lohse, Markus Wehner: Steinbrück. Biographie. Droemer Verlag, München 2012. 384 Seiten, 19,99 Euro.

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