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Kultur: Bis die Herzen bluten Schmeichelpop:

Junip im Astra.

Wahre Popmusik sollte immer pathetisch sein: Sie muss dich packen, von Anfang an einwickeln und nicht mehr loslassen. Wer wüsste dies besser als José Gonzalez, der schwedische Folkbarde mit argentinischen Wurzeln, der vor acht Jahren schlagartig berühmt wurde, als der von ihm gesungene Song „Heartbeats“ von The Knife in einem Werbespot auftauchte. Seitdem hat er über eine Million Platten verkauft. Mit dem Schlagzeuger Elias Araya und Tastenmann Tobias Winterkorn bildet er zudem das Trio Junip, deren neues Album nicht nur den Musikexpress daran erinnert, „wie es sich anfühlt, bei einem Song eine Gänsehaut zu bekommen“. Drei Jahre nach ihrem Debüt „Fields“ hat die Band, die bereits seit 1998 besteht, ihr zweites, unbetiteltes Werk veröffentlicht, das scheinbar mühelos dunkle Post-Punk-Romantik mit kosmischem Krautrock und verwischten Paul-Simon-Elementen kombiniert. Es ist definitiv schon jetzt ein Anwärter auf das Album des Jahres.

Bei der Livepräsentation im ausverkauften Astra wird das Trio von drei Musikern ergänzt, die den Gesamtsound mit Bass, Elektronik und Perkussion unterfüttern. Die zurückhaltend, fast scheu inszenierte Musik wird von Arayas treibendem Getrommel, Winterkorns flauschiger Analog-Orgel und Gonzalez’ schöner Klimpergitarre getragen.

Im Mittelpunkt steht aber Gonzalez’ unfassbare Schmeichelstimme, um die ihn jeder Sprachtherapeut beneiden würde. Sie klingt auch im hinteren Teil des Saales so nah, als würde er einem direkt ins Ohr flüstern. Wie in Trance schwebt er über die hypnotisch flirrenden Songs, in denen es fast immer um die großen Themen geht: Liebe, Tod, Erlösung. Tiefschürfend, ergreifend, melancholisch, aber ohne jede Jammerei. Dafür wird es zwischendurch richtig psychedelisch. Highlight des 90-minütigen Konzerts ist aber die aktuelle Single „Line of Fire“, die den Hörer mit aufgeschäumter Dynamik in einen unwiderstehlichen Sog zieht. Was für eine Musik! Ein großes, schönes, auf seine Art alle Fragen unterspülendes Wunder: Sie lässt das Herz den Tropfen Blut schwitzen, der das Leben so süß macht. Volker Lüke

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