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Kultur: Bitte schnell was trinken

Der Konrad-Wolf-Preis für Simon McBurney

Es ist ja in diesen Tagen nicht mehr selbstverständlich, dass ein Preisträger seine Auszeichnung auch tatsächlich entgegennimmt, so ganz ohne Pöbelei und Kulturpessimismus. Deshalb erst mal die Erfolgsmeldung: Simon McBurney, der große britische Schauspieler, Autor und Regisseur, hat den Konrad-Wolf-Preis, den die Berliner Akademie der Künste jährlich für herausragende Leistungen vergibt, glaubhaft geehrt akzeptiert. „Unvergleichlich schön, poetisch beseelt und von wachem kritischen Geist erfüllt“, fand die dreiköpfige Jury seine Theaterarbeit, und das hörte sich McBurney, leger in Sakko und Turnschuhen, mit anlassgemäß kokettem Kopfschütteln an. Dass er wenig später sichtlich entgeistert bekannte, er fühle sich, „als hätte man ihm auf offener Bühne die Hosen runtergelassen“, sprich: es sei wie in einem der Albträume, die ihn oft plagten, ist eine andere Geschichte. Was war passiert?

Zunächst nichts Außergewöhnliches. Der Theaterhistoriker Klaus Völker, Mitglied der dreiköpfigen Jury, hatte in einer honorigen Laudatio McBurneys Werk gewürdigt, besonders natürlich die Arbeit mit der Kompanie „Théatre de Complicite“, hatte herausragende, auch in Berlin gefeierte Inszenierungen wie „The Three Lives of Lucie Cabrol“ und „Die Straße der Krokodile“ bedacht und McBurney die Lyrik des Berliner Dichters Martin Kessel nahezubringen versucht. Dann aber folgte eine Filmeinspielung mit Kurzausschnitten aus acht McBurney- Arbeiten. Und nicht nur fehlte darin eine Inszenierung wie der New Yorker „Arturo Ui“ mit Al Pacino in der Hauptrolle, ein Brecht, mit dem der Regisseur die Maßstäbe politischen Theaters neu definiert hat. Nein, man musste ob des Zusammenschnitts putziger Slapstick-Choreografien tatsächlich den Eindruck gewinnen, McBurneys körperbetonte, aber stets präzis durchdachte, oft sprachmächtige Inszenierungen seien Hanswurstiaden, er selbst eine Art Robert-Wilson-Epigone, der auch Shakespeares „Maß für Maß“ zum clownesken Turn-Theater umdichte. Renate Klett und Ivan Nagel, die das anschließende Gespräch zu führen hatten, beeilten sich zwar, zu beteuern, „Complicite“ selbst habe die DVD geschickt. Aber der Abend war überschattet, auch wenn McBurney sich noch zu einer wortreichen Erläuterung seines Arbeitsantriebes aufraffte.

Als letzter Punkt stand auf der Tagesordnung: „Angela Winkler: Für Simon McBurney“. Würde sie ihm ein Gedicht widmen? Aber nein. Winkler überreichte Blumen, rief: „Dear Simon, these are flowers from the streets, was heißt Brachland auf Englisch?“, und betonte, McBurney müsse bald unbedingt in Berlin arbeiten, und zwar mit Berliner Schauspielern. McBurney fehlten dazu endgültig die Worte, stattdessen deutete er per Hand am Mund international verständlich an, man solle jetzt bitte schnell etwas trinken gehen. Wie hieß noch mal der Regisseur des Abends? Den Namen muss man sich merken. Patrick Wildermann

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